Daimler und BMW auf dem Weg zum gemeinsamen Carsharing

BMW und Daimler eröffnen ihre gemeinsame Carsharing-Plattform. Für Millionen Kunden ändert sich einiges.

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Daimler und BMW auf dem Weg zum gemeinsamen Carsharing

Daimler- und BMW-Autos einträchtig vor dem Berliner Olympiastadion.

(Bild: daimler.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Roland Losch
  • dpa
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Als Autohersteller sind Daimler und BMW Konkurrenten – aber im rasant wachsenden Geschäft mit Carsharing und Mobilitätsdiensten tun sie sich jetzt zusammen. Details wollen die beiden Konzernchefs erst an diesem Freitag in Berlin vorstellen, aber klar ist: Millionen Großstädter sollen Mietauto und Taxi, U-Bahn- und Parkticket per Fingertipp bald auf einer einzigen, gemeinsamen Smartphone-App bekommen, alles vernetzt aus einer Hand. Gut für die Kunden, gut für die beiden Unternehmen, sagen Branchenexperten.

"Der Kunde will einfach bequem und schnell durch die Stadt kommen. Er will nicht 15 Apps haben", sagt Juergen Reiner, Partner in der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Bislang gibt es viele konkurrierende Angebote, aber oft mit großen Lücken. Denn es ist teuer, eine Carsharing-Flotte aufzubauen und zu betreiben.

"Entscheidend ist, viele Kunden anzusprechen, ihnen in ihrer Stadt genug Autos anzubieten, so dass sie nicht lange suchen und warten müssen", sagt Reiner. "Dann kann die Flotte vor Ort gut ausgelastet und profitabel werden."

Zusammen bieten Car2Go und DriveNow, die beiden Carsharing-Dienste von Daimler und BMW, derzeit weltweit 20.000 Autos an und kommen auf etwas mehr als vier Millionen Kunden. Aber die Konzerne haben große Pläne. "Unsere Vision ist es, gemeinsam einen global bedeutenden Player für nahtlos und intelligent vernetzte Mobilitätsdienstleistungen zu schaffen", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Mit allen Taxi-, Mitfahr-, Park- und Ladediensten hat die neue Tochter insgesamt 40 Millionen Kunden.

Der chinesische Fahrdienstleister Didi macht allerdings heute schon mit einer halben Milliarde Kunden Geschäfte. Für viele junge Menschen in Metropolen ergibt der Kauf eines eigenen Autos keinen Sinn mehr. Internetkonzerne erwägen, Menschen kostenlos in autonomen Taxis zu befördern, damit sie unterwegs Unterhaltung kaufen oder Waren bestellen. Die Unternehmensberatung PwC schätzt, dass das Marktvolumen von Mobilitätsdiensten in Europa bis 2030 von heute 25 Milliarden auf 450 Milliarden US-Dollar (398 Milliarden Euro) steigen wird. Weltweit entstehe gerade ein Markt von 1,4 Billionen Dollar.

Die deutsche Autoindustrie will aber nicht eines Tages zum bloßen Zulieferer für Uber, Didi oder andere Internetgiganten werden. VW baut den Sammeltaxidienst Moia auf und will in Kürze ein eigenes Carsharing mit Elektroautos starten, Toyota und Ford planen gemeinsam, GM arbeitet daran. Unzählige Start-ups versuchen sich mit neuen kundennahen Angeboten auf dem Markt.

Unterdessen will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Markt für neue Mobilitätsdienste liberalisieren. Die Zukunft von Sammelfahrdiensten und Vermittlungsapps könnte von noch mehr Anbietern geprägt sein. Bereits jetzt ist eine Vielzahl von Akteuren in dem Geschäft mit der neuen Mobilität vertreten.

Zu Ridesharing oder Pooling-Angeboten schließen sich häufig öffentliche Verkehrsunternehmen mit großen Konzernen zusammen. Viele der Dienste laufen derzeit noch mit einer Ausnahmegenehmigung, die das Personenbeförderungsgesetz "zur praktischen Erprobung neuer Verkehrsarten oder Verkehrsmittel" für einen begrenzten Zeitraum vorsieht.

In Berlin betrifft das laut der Senatsverkehrsverwaltung die Dienste Berlkönig der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Beteiligung von Daimler und das Clevershuttle der Deutschen Bahn. Auch in Hamburg sind die Dienste wie der Sammeltaxiservice Moia von Volkswagen und der Hamburger Hochbahn AG unterwegs. Die Bahn-Tochter Ioki betreibt einen Fahrdienst in Kooperation mit den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein GmbH. Ioki gelte im Gegensatz zu anderen Diensten aber als Teil des Linienverkehrs, sagte ein Sprecher. Den Status strebt auch der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund für seinen Ridesharing-Dienst IsarTiger an, der sich aktuell noch in einer Probephase mit kleiner Nutzergruppe befinde, hieß es.

Sollten die Vorschläge aus dem Eckpunktepapier des Bundesverkehrsministeriums umgesetzt werden, könnten die Dienste künftig auf die Ausnahmegenehmigungen verzichten. Zumindest die Ridepooling-Dienste öffentlicher Verkehrsunternehmen sollen dann leichter als Sonderformen des Linienverkehrs anerkannt werden können.

Nicht unter das Personenbeförderungsgesetz fallen Dienste, die Angebote ohne Fahrer wie Leihautos, Roller und Fahrräder als teilbares Gut zur Verfügung stellen. Laut dem Bundesverband Carsharing waren Anfang 2019 rund 2,46 Millionen Accounts bei deutschen Diensten registriert. Die Branchengrößen unter den Fahrzeuganbietern ohne feste Stationen (Free Floating) sind Daimler und BMW mit Car2Go und DriveNow. Die führen ihre Unternehmen jetzt zusammen und werden damit laut Bundesverband zum "mit Abstand größten Anbieter auf dem Markt".

Unter den stationsbasierten Angeboten führe der Anbieterverbund Stadtmobil gemessen an der Flottengröße das Feld an, gefolgt von der Unternehmensgruppe Cambio. Auch die klassischen Autovermietungen versuchen sich am Markt: Sixt und Europcar beispielsweise betreiben eigene Sharing-Dienste in Berlin und Hamburg. Bei Radsharing-Diensten ist eigenen Angaben zufolge Nextbike der europäische Marktführer. Elektrobetriebene Leih-Roller bringt zum Beispiel das Start-up Emmy in mehreren deutschen Städten auf die Straße.

Fahrdienstvermittler verfügen in der Regel über keine eigene Fahrzeugflotte, sondern leiten Kundenanfragen an Fahrer weiter, so zum Beispiel das US-amerikanische Unternehmen Uber. In Deutschland gibt es das Angebot des Fahrdienstes nur eingeschränkt und in vier Städten: Berlin, München, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Das Unternehmen darf Fahrten nur an professionelle Chauffeure und an Taxifahrer vermittelt.

Anders als Taxifahrer dürfen Uber-Fahrer Aufträge bisher nicht direkt vom Fahrgast annehmen. Außerdem müssen Mietwagenfahrer an ihren Hauptstandort zurückkehren oder auf dem Weg dorthin sein, bevor sie einen neuen Auftrag annehmen können. Das Eckpunktepapier sieht eine Abschaffung dieser Rückkehrpflicht vor. Zudem soll das Pooling-Verbot für Mietwagen aufgehoben werden, sofern die Funktionsfähigkeit des Linienverkehrs oder einzelner Linien dadurch nicht bedroht oder gefährdet wird. Bisher darf der Dienst keine Einzelplätze vermieten.

Auch die Daimler-Tochter mytaxi ist ein Fahrdienstvermittler. Pooling geht hier ebenfalls: In der App können sich Nutzer über die "Match"-Option eine Strecke in Berlin oder Hamburg mit anderen Fahrgästen teilen – bisher aber nur zwischen 18 und 6 Uhr morgens, so ein Sprecher. Andere große On-Demand-Dienste wie Careem aus dem arabischsprachigen Raum, den nordamerikanischen Service Lyft oder den chinesischen Anbieter Didi gibt es in Deutschland bisher nicht.

Das Konzept Mobilität als Dienstleistung führt verschiedene Fortbewegungsmittel zusammen und kombiniert sie miteinander. Nutzer bekommen so eine Mischung aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln angeboten, wenn sie von A nach B wollen. Ein Beispiel ist Jelbi, eine App der Berliner Verkehrsbetriebe, die im Sommer angeboten werden soll. Nutzer können so über eine App Leihrad, Bus und Bahn oder Kurzleihwagen finden, buchen und zahlen.

Auch das Daimler-Tochterunternehmen moovel Group hat MaaS-Apps für verschiedene Städte entwickelt, darunter Stuttgart, Hamburg, Karlsruhe und Aschaffenburg. Weitere Angebote auf dem Feld sind zum Beispiel Google Maps und Apps wie Ally oder moovit. (anw)