Das war's: Die erste Weltausstellung in Deutschland

Nach 153 Tagen endet am 31. Oktober die erste Weltausstellung in Deutschland. Und genauso bunt und unterschiedlich wie das Nationentreffen fällt auch die Bilanz aus.

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  • dpa

Das war's. Nach 153 Tagen endet am 31. Oktober in Hannover die erste Weltausstellung in Deutschland. Und genauso bunt und unterschiedlich wie das Nationentreffen mit Rekordbeteiligung fällt auch die Bilanz aus. Auf der einen Seite steht das bunte Vielvölkerfest mit fröhlicher Stimmung, das noch in den letzten Tagen täglich mehr als 200 000 Menschen anzieht. Bundeskanzler Gerhard Schröder spricht von einem "überragenden Erlebnis" und einem "großen Erfolg" für Deutschland. Verbunden mit dem Ereignis Expo 2000 wird aber auch eine Fehlplanung sein, die dem Steuerzahler einen Schuldenberg von rund 2,4 Milliarden Mark hinterlässt. Die Planungen gingen von 40 Millionen Besuchern aus, 18 Millionen kamen schließlich.

Im Vorfeld hatten Politik, Expo-Gesellschaft und die Werbung Image und Inhalte des Mottos "Mensch-Natur-Technik" in den Mittelpunkt gestellt. An der Schwelle zum nächsten Jahrtausend sollte die Expo Zukunftslösungen zeigen, soziale und ökologische Maßstäbe wollte sie setzen. Kritiker finden wenige der teils vollmundigen Versprechen eingelöst. Expo-Chefin Birgit Breuel dagegen ist zufrieden: "Inhaltlich waren wir gut." Schröder kommt zu dem Ergebnis, dass die Expo eine "Ideenwerkstatt der Zukunft" war und die "Völker verständigende Idee" transportiert hat.

Der Anfang aber lief zäh. Als die Expo wenige Tage alt war, zeigte sich schnell, dass die Deutschen sich mit "Nachhaltigkeit", "Agenda 21" und "Zukunft" nicht in Scharen für 69 Mark Eintritt aufs Gelände locken ließen. Eine erste Werbekampagne mit echten Bildern von dem Treffen in Hannover wurde angeschoben, mit Kultstar Verona Feldbusch und Sir Peter Ustinov in den Hauptrollen. Fortan stand die Expo für "Spaßfaktor XXL" mit internationalem Flair. Die Inhalte interessierten nur noch am Rande. Dabei half auch – eher unfreiwillig – Ernst August Prinz von Hannover. Am Nationentag Monacos wurde er in pikanter Pose vor dem türkischen Pavillon erwischt. Die Bilder gingen um die Welt. Diplomatische Verstrickungen drohten, die Türken verlangten eine Entschuldigung. "Eigentlich war die Pinkelaffäre ein Glücksfall", meint ein Expo-Sprecher, "so viel Aufmerksamkeit hatten wir selten". Auch viele Besuche von Königen, Staatsoberhäuptern und Prominenz ließen die Besucherzahlen langsam steigen. Trotzdem bleibt ein Finanzloch von 2,4 Milliarden Mark. Wirklich eingenommen hat die Expo aus der Wirtschaft und durch Eintrittsgeld rund eine Milliarde, eigentlich sollten es drei sein.

Positiv fällt die Bilanz der meisten der 173 Nationen und internationale Organisationen aus, von denen viele zweistellige Millionenbeträge investierten. Der dänische Generalkommissar Ole Philipson meint als deren Sprecher: "Die Expo ist insgesamt wunderbar gelaufen, wir haben die ganze Zeit in Frieden hier gelebt." 18 Millionen Gäste seien "eine riesige Zahl", freut sich Philipson. "Und die Besucher waren sehr zufrieden." Allerdings waren die ersten Wochen schwierig. "Anfangs hatten wir wenige Besucher, schlechtes Wetter und keine gute Presse." Dennoch: "Ich bin sicher, wir werden im November in eine kollektive Depression verfallen."

Das Kulturprogramm mit abertausenden Termine, die kein Mensch alle wahrnehmen konnte, war laut Breuel einmalig in Deutschland. Von der 21-stündigen Faust-Aufführung bis zum Feuer-Spektakel "Flambee", von Pina Bauschs Tanztheater bis zum Konzert der Scorpions mit den Berliner Philharmonikern. Auf der Weltausstellung reihte sich ein Highlight an das andere. Das Kulturprogramm trug viel zur Atmosphäre und Lebendigkeit der Expo bei. Expo-Kulturchef Tom Stromberg ist überzeugt, dass sein Konzept von anspruchsvoller Kultur und Unterhaltung für die Massen aufgegangen ist. "Ich habe überall nur fröhliche Gesichter gesehen." Kritiker werfen ihm vor, er habe zu wenig die populäre Kultur bedacht.

Mit dem Themenpark und bei den dezentralen Projekten löste die Expo am ehesten ihre Versprechen ein, meinen selbst hartnäckige Gegner. Zwar machten sie im Themenpark grobe Entgleisungen des Sponsoring aus – etwa in Form einer Kinoachterbahn der Chemischen Industrie mit dem ausgewogenen Informationsgehalt einer Kaffeefahrt. Die grundsätzliche Idee aber, mit dem Themenpark Menschen zu erreichen, die sich sonst eher selten mit Energie, Grundbedürfnissen oder Umwelt beschäftigen, scheint aufgegangen zu sein. Gesehen haben die Hallen viele, was in den Köpfen bleibt, ist offen. Breuel ist sicher: "Viele werden die Bilder nicht mehr loswerden." Den weltweiten Projekten schenkten allerdings im Vergleich nur wenige Gäste Aufmerksamkeit.

Leicht hat es die Weltausstellung in Deutschland nie gehabt – das wird auch nach dem Ende so bleiben. Nicht nur Kritiker behaupten, dass sich an der Art, wie mit dem Expo-Nachlass umgegangen wird, ermessen lässt, was sie den Machern bedeutete. Ein Verein soll sich weiter um die weltweiten Projekte kümmern – Finanzierung noch unklar. Die Plaza und einige Pavillons bleiben erhalten, aber auch die Abrissbirne wird Vielem zu Leibe rücken. Der Themenpark wird unterm Auktionshammer zu Spottpreisen vergeben. Und die unzähligen Geschenke der Nationen für Breuel werden wohl in einer U-Bahn-Station am Rande von Hannovers Innenstadt ausgestellt – für mehr fehlt das Geld. (dpa) (jk)