Datenschutz, Breitband und "Green IT" auf dem IT-Gipfel 2008
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries fordert einen effektiven Persönlichkeitsschutz, Wirtschaftsminister Michael Glos verspricht schnellere Internetzugänge und Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht grün.
Vertreter der Bundesregierung haben vor Beginn des dritten IT-Gipfels am morgigen Donnerstag in Darmstadt ihre Schwerpunkte für das Treffen mit rund 750 Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien abgesteckt. Demnach will sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries während des nationalen Spitzengesprächs zum Einsatz der Informationstechnik vor allem für einen "effektiven Schutz der digitalen Persönlichkeit" einsetzen. Wirtschaftsminister Michael Glos sicherte seine Unterstützung für den Ausbau der Breitbandnetze in der Fläche sowie beim Aufbau neuer Hochleistungsnetze zu. Bundeskanzlerin Angel Merkel setzt auf "Green IT".
Um das Vertrauen der Menschen in die Sicherheit des Internets zu stärken, hält Zypries gemeinsam mit Verbraucherschützern die Aspekte Datensparsamkeit und Medienkompetenz für unerlässlich. Viele Nutzer gäben höchstpersönliche Informationen preis, ohne sich aller Konsequenzen bewusst zu sein. Die Öffentlichkeit müsse dafür sensibilisiert werden, dass das Netz praktisch nichts vergesse und einmal abgegebene Daten missbraucht werden könnten. Die Wirtschaft müsse bestimmte Datenverarbeitungen vermeiden oder dabei mehr Transparenz zeigen und sie besonders schützen. Den Staat sieht die Ministerin in der Pflicht, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Grundrechte auf informelle Selbstbestimmung und auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme als aktiven Schutzauftrag – und nicht allein zur Abwehr staatlicher Eingriffe – wahrzunehmen.
Schon am Wochenende hatte Merkel in ihrer Videobotschaft auf den Zusammenhang zwischen Informations- und Umwelttechnik sowie dem Prinzip der Nachhaltigkeit hingewiesen. Grüne Informationstechnik sei ein gutes Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften. Die Bundesregierung habe sich vorgenommen, die Energieeffizienz und -Produktivität zwischen 1990 und 2020 zu verdoppeln. Dieses anspruchsvolle Ziel sei ohne IT-Einsatz nicht zu schaffen. CSU-Minister Glos kündigte die Vorstellung eines Aktionsplans für das "Wachstumsfeld" Green IT in Darmstadt an.
"Gerade jetzt in der Finanzkrise müssen wir uns Sachthemen widmen" unterstützte Karl-Heinz Streibich, Chef der Darmstädter Software AG, den Kurs der Bundesregierung prinzipiell. "IT made in Germany" könne den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Kurzfristig könnten IT-Verfahren Prozesse effizienter machen, Kosten sparen und schnell auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Langfristig werde IT die Grundlage "für neue Geschäftsmodelle und Prozessinnovationen in Deutschland sein". Zugleich wünschte sich Streibich aber mehr Flexibilität und bessere Integration der IT-Systeme von Bund, Länder und Kommunen sowie eine höhere Automatisierung von Verwaltungsprozessen. Deutschland dürfe bei E-Government-Ranglisten nicht mehr "nur im Mittelfeld dümpeln".
Markus Beckedahl, Blogger bei Netzpolitik.org, sieht die Politik hierzulande dagegen mit der Schauveranstaltung IT-Gipfel weiter auf dem Holzweg. Es handle sich noch immer um eine für die Zivilgesellschaft weitgehend geschlossene Veranstaltung, auf der keine offene Debatte über wichtige Fragen rund um die Informationsgesellschaft geführt werde, schreibt der Kritiker in einem Beitrag für die Tageszeitung. Es fehle der Wille, politische Prozesse mit Hilfe des Internets transparenter zu gestalten. "Da hilft auch kein Video-Podcast der Bundeskanzlerin, die jeden Samstag eine kurze Internet-Rede an die Nation vom Teleprompter abliest, aber nicht zum Zuhören bereit ist." Als Weichenstellungen, die besondere Ängste bei den Bürgern vor einem "Big-Brother"-Staat ausgelöst hätten, bezeichnete er die Einführung der "flächendeckenden" Vorratsdatenspeicherung von TK-Verbindungen und heimliche Online-Durchsuchungen. Zudem müsse Deutschland mehr "Open Source wagen", um das digitale Innovationspotenzial auszuschöpfen.
Zum dritten IT-Gipfel 2008 siehe auch:
- Branche formuliert Verbraucherschutz-Leitlinien
- Bitkom: "Die Zeit für Bescheidenheit ist vorbei"
- Bundesregierung verteidigt Projekt für sichere Bürger-E-Mail
- Theseus soll dem Arzt helfen
Siehe zum zweiten IT-Gipfel der Bundesregierung im Jahr 2007:
- IT-Beauftragter der Bundesregierung tritt Dienst an
- IT-Gipfel: Erfolg mit Schönheitsfehlern
- Zypries will einheitliche IT-Standards per Verfassung verordnen
- Von IT-Gipfel zu IT-Gipfel: "Unsere Bilanz kann sich sehen lassen"
- Schäuble: "Jedes politische Großprojekt ist inzwischen immer auch ein IT-Projekt"
- Fachkräftemangel: Bundeswirtschaftsminister fordert von Firmen mehr Ausbildung
- Lob und Tadel für den so genannten "Bundes-CIO"
- Ein "Bundes-CIO" solls tatsächlich (fast) werden ...
- Ein "Bundes-CIO" soll es schon sein
- IT-Gipfel sucht den Weg in die Champions League
- Zweiter IT-Gipfel der Bundesregierung findet in Hannover statt
- IT-Gipfel per Weblog
- Zweiter Nationaler IT-Gipfel, Website zu der Veranstaltung
- Gipfelblog des Hasso-Plattner-Instituts
- Zweiter Nationaler IT-Gipfel 2007 – Hannoversche Erklärung, Dokument zu den Erörterungen und Ergebnissen des 2. IT-Gipfels
Zum ersten IT-Gipfel im Jahr 2006 siehe:
- IT-Gipfel der Bundesregierung erntet kaum gute Noten
- Leuchtturmprojekte, Wachstumsfelder und gute Vorsätze
- Quaero heißt jetzt Theseus
- "Deutschland muss Hightech-Standort bleiben"
- Milliardenförderung für IT-Branche
- Bundesdatenschützer kritisiert IT-Gipfel
- Kleine Schnellboote, nicht nur große Tanker
- Bitkom sieht Biometrie, DRM und SOA als Zukunftfelder der IT-Wirtschaft
- Grüne kritisieren IT-Gipfel der Bundesregierung
- Mehr Offenheit gefordert
- Mehr repräsentieren als diskutieren
- Bundesregierung legt Richtlinien für IT-Politik fest
- Merkel will IT-Wirtschaft und Politik vernetzen
- Potsdamer Initiative für den IKT-Standort Deutschland, Abschlusserklärung des "Nationalen IT-Gipfels"
- Erklärung der Bundesregierung zum Abschluss des IT-Gipfels mit Ergebnissen der Arbeitsgruppen
(Stefan Krempl) / (anw)