Debatte ĂĽber Gesichtserkennung: LKA-Chef will mehr Befugnisse
Der LKA-Präsident Niedersachsens wünscht sich mehr Befugnisse in der Strafverfolgung. Er hätte gern ein eigenes KI-Tool zur Gesichtserkennung.
Der Präsident des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen, Friedo de Vries, wünscht sich mehr Befugnisse für die Polizei, wenn es um Programme wie Gesichtserkennungssoftware geht. Nach bisheriger Rechtsauffassung des LKA dürfen Ermittlungsteams etwa nicht mit Künstlicher Intelligenz (KI) im Internet nach Fotos flüchtiger Schwerverbrecherinnen und -verbrecher suchen. De Vries will eine Debatte darüber anstoßen, sagt er in einem Interview mit dem NDR.
Die Debatte über den Einsatz von Gesichtserkennung für Fahndungen hatte schon früher für Aufregung gesorgt: Die Polizei nahm Ende Februar die mutmaßliche ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette in Berlin fest. Die Besonderheit: Journalisten hatten Hinweise auf einen möglichen Aufenthaltsort schon vor der Polizei mithilfe der auf biometrische Gesichtserkennung spezialisierten Suchmaschine PimEyes gefunden. So tauchten Bilder der Gesuchten auf der Website eines Berliners Capoeira-Vereins auf. Klette betrieb zudem unter anderem Namen ein Facebook-Profil. Die Polizei war jedoch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Dass die Polizei die Technologie nicht einsetzen dürfe, die jeder von zu Hause aus bedienen könne, sei nicht vermittelbar, kritisierte bereits Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. PimEyes steht unter anderem wegen massiver Datenschutzbedenken unter Druck.
Keine rechtliche Grundlage fĂĽr KI-Anwendung
Für die Durchforstung des Netzes mit auf biometrische Bilder trainierter KI gebe es aber keine rechtliche Grundlage, erklärt LKA-Chef de Vries. Er stellt sich eine eigene Künstliche Intelligenz zur Gesichtserkennung für den Strafverfolgungseinsatz vor, unabhängig von privatwirtschaftlichen Anbietern wie Clearview AI und PimEyes. "Ich wünsche mir, dass wir mit Gesichtserkennungsmethoden auch Fahndungsansätze generieren können", sagte de Vries dem NDR. "Das heißt, im Netz nach möglichen Aufenthaltsorten und Anknüpfungspunkten suchen dürfen. Ziel ist, effektiver nach Straftätern fahnden zu können." Es gehe ihm um Straftäter, denen mehr als ein Jahr Gefängnisstrafe drohen.
Laut dem NDR-Bericht zeigen sich Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) und Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) offen für eine solche Diskussion. Nach Informationen des Senders prüft das Justizministerium, wie sich eine solche Möglichkeit juristisch umsetzen ließe. Behrens betonte im Interview mit dem NDR: "Die Polizei Niedersachsen hat kein Interesse, anlasslos und flächendeckend das Internet und Online-Netzwerke nach Gesichtern zu durchleuchten und damit Millionen von unbescholtenen Bürgern zu scannen." Evrim Camuz, justizpolitische Sprecherin der Grünen, möchte eine Gesichtserkennungssoftware nur bei schwersten Straftaten eingesetzt sehen und wirft die Frage auf, mit welchen Trainingsdaten eine durch die Behörden entwickelte KI gefüttert werden solle, ohne Bürgerrechte zu verletzen.
AI Act regelt Einsatz in der Strafverfolgung
Die biometrische Gesichtserkennung ist auch Punkt im AI-Act, der am Donnerstag in Kraft getreten ist. Die Europäische Union hat darin verboten, massenhaft und anlassfrei biometrisch auslesbare Bilder aus dem Netz zu sammeln und auszuwerten, um eine Datenbank aufzubauen (Artikel 5, Absatz 1, Buchstabe e). Damit werden sechs Monate nach Inkrafttreten – also am 2. Februar 2025 – Anbieter wie PimEyes vom EU-Markt verschwinden müssen. Grundsätzlich ist die Gesichtserkennung für die Strafverfolgung nach dem KI-Gesetz verboten. Bei 16 klar definierten Straftaten macht die EU-Verordnung allerdings eine Ausnahme: Dazu gehören vor allem Szenarien, bei denen Gefahr im Verzug ist, etwa die Suche nach Entführungsopfern, Menschenhandel, ein drohender Terroranschlag, illegaler Handel mit Drogen und Waffen, schwere Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung und Umweltkriminalität. Dennoch benötigen Ermittler die Genehmigung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde.
Bei einer eigenen Künstlichen Intelligenz der Landeskriminalämter bleibt zudem die Frage offen, wie die Technologie trainiert werden soll. Auch hier müssen sich die Behörden an Datenschutzbestimmungen und die Rechte der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung halten.
In Großbritannien hat die Londoner Polizeibehörde zuletzt den Zugang zu PimEyes gesperrt, nachdem ihr tausende Zugriffe von Rechnern Behörde aufgefallen waren, berichtet die Nachrichtenseite iNews. Großbritannien stand zuvor bereits in der Kritik, eine Rundum-Überwachung zu fördern.
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(are)