Debitel-Betriebsräte üben scharfe Kritik an Freenet-Chef Spoerr [Update]

In einem offenen Brief entziehen die Betriebsratsvorsitzenden der Debitel-Standorte Stuttgart und Ettlingen dem umstrittenen Vorstandschef Eckhard Spoerr das Vertrauen und sparen auch nicht mit Kritik am Aufsichtsrat.

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Der umstrittene Chef des Telekommunikationsanbieters Freenet gerät weiter unter Druck. In einem offenen Brief vom heutigen Freitag haben Betriebsräte der von Freenet übernommenen Debitel-Gruppe Eckhard Spoerr das Vertrauen entzogen. Die unterzeichnenden Arbeitnehmervertreter der Debitel-Standorte Stuttgart und Ettlingen stellen in dem Schreiben einzelne Entscheidungen Spoerrs sowie seine Führungsqualitäten insgesamt in Frage. Der ebenfalls adressierte Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Thoma, der dem Freenet-Chef bisher demonstrativ den Rücken stärkt, muss sich nach dem Brief fragen lassen, ob Spoerrs Rückhalt im Kontrollgremium tatsächlich so ungeteilt ist.

Freenet hatte den Stuttgarter Serviceprovider von dessen Mehrheitseigner Permira übernommen und den Investor im Gegenzug mit 25 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen beteiligt. Einen internen Machtkampf mit Debitel-Chef Oliver Steil hatte Spoerr für sich entscheiden können, bei den wichtigen Themen Integration von Debitel und dem Verkauf der DSL-Sparte kommt er dagegen nicht voran. Das hat ihm angeblich auch Kritik von Permira eingebracht, der Investor soll hinter den Kulissen bereits nach einem Nachfolger für Spoerr suchen. Auch die Großaktionäre United Internet und Drillisch sind unzufrieden.

Die Debitel-Betriebsräte üben nun öffentlich heftige Kritik an Spoerrs Amtsführung. Bei der Entscheidung über Standorte würden offenbar "rein kostenbasiert" getroffen, monieren die Arbeitnehmervertreter. Spoerr setze auf seine "vertrauten 'Start-up'-Vorgehensweisen, die für einen Wachstumsmarkt vielleicht ausreichend waren, die aber notwendige Struktur und strategisches Vorgehen vermissen lassen". Bei Freenet sollen insgesamt 1000 Jobs abgebaut werden. Zur Disposition steht der Standort Elmshorn (Talkline). Auch Debitels Stammhaus mit rund 500 Mitarbeitern sollte zunächst geschlossen werden, nun sollen etwa 120 Arbeitsplätze in Stuttgart bleiben.

Die Arbeitnehmervertreter bezweifeln, dass die geplante Übertragung von Millionen Debitel-Kunden auf Mobilcom-Systeme reibungslos über die Bühne geht und fürchten "Totalausfälle". Kritische Fragen zu dem Vorhaben würden "als Stimmungsmache abgewertet". Auch vermisst der Betriebsrat handfeste Informationen zum geplanten Verkauf des DSL-Geschäfts. Die erste Frist für einen Verkauf war bereits im November verstrichen, nun soll Spoerr noch bis zu Hauptversammlung im Mai 2009 Zeit bekommen, die Zugangssparte zu verkaufen. Thoma verweist gegenüber der Presse auf Interessenten und Gespräche, ohne allerdings allzu konkret zu werden.

Die Betriebsräte sprechen eine deutliche Sprache: "Der Markt hat das Vertrauen verloren". Der Aufsichtsrat verliere seine Kontrollfunktion und halte als "verlängerter Arm" des Vorstands weiter seine "schützende Hand" über Spoerr. Gegenüber der Presse suggeriere Thoma dabei die Einstimmigkeit des Gremiums, die allerdings von "einzelnen Mitgliedern nicht bestätigt" werde.

Update:

Eine Freenet-Sprecherin wies darauf hin, dass sich andere Betriebsratsgremien der debitel-Gruppe, aber auch Arbeitnehmervertreter in Hamburg, Büdelsdorf und Kiel von dem Schreiben "klar distanziert" hätten. Der Brief sei eine Einzelaktion von Betriebsräten an vom Arbeitsplatzabbau stark betroffenen Standorten. "Wir verstehen die emotionale Anspannung und bewerten die Aktion nicht über, hoffen aber, dass sich der Betriebsrat in Stuttgart wieder auf sein Tätigkeitsfeld fokussiert, um die Mitarbeiterinteressen am Standort zu vertreten und mit uns in die Detaildiskussionen einzusteigen." (vbr)