Die Vereinten Nationen, die NGOs und die Informationsgesellschaft

Nichtregierungsorganisationen haben bei den Aktivitäten, die nach dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft entfaltet werden sollen, in der UN einen schweren Stand. Beobachter vergleichen das Erreichte aber mit einer "Revolution in der Diplomatie".

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Von
  • Monika Ermert

Das Economic and Social Council (ECOSOC) der Vereinten Nationen tut sich schwer mit der Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen in die Aktivitäten, die im Anschluss an den Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) dessen Ziele weiterverfolgen und die nach heftigen Auseinandersetzungen doch noch gefassten Beschlüsse umsetzen sollen. Bis zum gestrigen Dienstagabend rangen ECOSOC-Mitglieder in Genf um eine Entschließung zum WSIS-Anschlussprozess.

Herausgekommen ist lediglich, dass man NGO- und Unternehmensvertretern immerhin Beobachterstatus einräumen will. Allerdings kann der jeweilige Verhandlungsleiter sie jederzeit auf Wunsch einzelner Regierungen ausschließen. Weiter gestritten wird aber noch darüber, welche Rolle die UN Commission on Science and Technology for Development spielen soll. Zudem bleibt die Arbeitsteilung bei der globalen Netzpolitik ein heißes Eisen – einschließlich der Frage nach einer neuen Kooperation im Bereich zentraler Ressourcen wie dem Domain Name System.

Wolfgang Kleinwächter, Telepolis-Autor und Berater für das von den Regierungen auf dem WSIS beschlossene Internet Governance Forum (IGF) zu Fragen der Internertverwaltung, meinte, die Koordination der verschiedenen WSIS-Nachfolgeaktivitäten sei noch lange nicht geklärt. Mehr als ein halbes Dutzend internationaler Organisationen drängelten sich auf dem politischen Parkett der Netzverwaltung, angefangen bei den verschiedenen UN-Gremien. Die ECOSOC wurde dabei von der UN-Generalversammlung damit betraut, jährlich über die Fortschritte bei der Umsetzung der WSIS-Beschlüsse zu berichten.

Die International Telecommunication Union (ITU), die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) und die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) haben bei den beim WSIS identifizierten elf "Aktionslinien" jeweils ihre Claims abgesteckt. Sie wollen sich ums "Multilinguale Internet", um die "Spamverfolgung" und ähnliches kümmern. Getrennt davon startet im Herbst das erwähnte Internet Governance Forum, das sich ebenfalls diesen Themen widmen will – und darüber hinaus den "freien Informationsfluss im Netz" auf der Agenda stehen hat. Schließlich möchte auch die Global Alliance on ICT and Development gerne mitreden.

Mit Blick auf den aktuellen Streit um die Beteiligung der Nicht-Regierungsvertreter beim ECOSOC kommentierte Kleinwächter: "Das beim WSIS verabschiedete Konzept der Beteiligung aller Interessengruppen hat die UN-Zentrale in New York einfach erst jetzt erreicht. Man darf nicht vergessen, das ECOSOC das höchste UN-Gremium für die in der Netzpolitik anstehenden Fragen ist. Beim UN-Sicherheitsrat würde ja auch keiner auf die Idee kommen, irgendwelche Nichtregierungsvertreter mitreden zu lassen. Was beim WSIS in Sachen Beteiligung erreicht wurde, kommt einer Revolution in der internationalen Diplomatie gleich." Daher seien die Debatten beim ECOSOC durchaus zu begrüßen. Der südafrikanische ECOSOC-Vertreter hatte sich bei den Verhandlungen konsterniert darüber gezeigt, dass Regierungen künftig nicht mehr alleine an den Verhandlungstischen sitzen sollen. "Der sagt natürlich, was wollt ihr denn, das haben wir immer so gemacht", kommentierte Kleinwächter.

Gestritten wird darüber hinaus weiter darum, wie eine neue Zusammenarbeit bei der Verwaltung des Domain Name System aussehen soll. Dass großer Gesprächsbedarf in Sachen Netzverwaltung besteht, zeigen die 500 Kommentare zum künftigen Verhältnis von US-Regierung und der Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die im Rahmen einer Anhörung bei der National Telecommunications and Information Administration (NTIA) eingegangen sind.

Siehe zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft und zu den nach seinem Abschluss entfalteten Aktivitäten:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)