Diess soll bis 2025 VW-Chef bleiben – starke Zahlen, neue Strategie

Nach manchen Irritationen 2020 steht jetzt fest: Herbert Diess bleibt VW als Konzernchef länger erhalten. Die Zahlen sind gut, auch der Betriebsrat stimmt zu.

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Diess 2017 in Genf

(Bild: Volkswagen)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jan Petermann
  • Marco Engemann
  • dpa
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Herbert Diess soll den VW-Konzern mit einer neuen Strategie weiterführen und den Umbruch durch die Digitalisierung in der Autobranche angehen. Der Aufsichtsrat beschloss am Freitag, dass der Vorstandschef einen neuen Vertrag bis zum Herbst 2025 erhält. Kernprojekte werden nach dem Anlauf der Elektromobilität nun auch Vernetzung, Dienstleistungen und Entwicklung eigener Software sein.

Die Arbeitswelt für die weltweit mehr als 660.000 Beschäftigten der Volkswagen-Gruppe wird sich ebenfalls erheblich verändern, wie Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Personalvorstand Gunnar Kilian betonten. Zur Jahresmitte meldete der Konzern starke Zahlen: Der Betriebsgewinn liegt bereits über dem Gesamtniveau von 2020.

Bisher war Diess bis zum Frühling 2023 als Vorstandsvorsitzender des größten europäischen Autobauers bestellt. Formal bekommt er nun einen neuen Vertrag, der bis zum Oktober 2025 laufen soll.

Die Festlegung auf den früheren BMW-Entwicklungschef, der im Sommer 2015 zunächst als Leiter der Kernmarke zu VW gewechselt war, dürfte zum augenblicklichen Zeitpunkt manchen in der Branche überraschen. Vergangenes Jahr hatte es hitzige Diskussionen über eine mögliche vorzeitige Verlängerung gegeben, die Diess nach Darstellung von Insidern selbst einforderte. Normalerweise wird auch in Wolfsburg erst ab einem Jahr vor dem Auslaufen über die Fortsetzung verhandelt.

Ende Oktober 2025 wird Diess 67 Jahre alt sein. Der neue Vertrag gilt als Bekenntnis der Eigentümer zu seinem Kurs. In neue Modelle, mehr Vernetzung, Software und CO2-ärmere Produktion fließen Milliarden.

Sein Verhältnis zur Arbeitnehmerschaft war zuletzt nicht einfach. Diess soll im vorigen Jahr dem Vernehmen nach versucht haben, eine Vertragsverlängerung weit vor der üblichen Entscheidungsreife durchzudrücken. Weil der Zeitpunkt aus Sicht mehrerer Aufsichtsräte offiziell nicht zur Debatte stand, blitzte der gern forsch auftretende Manager mit seinem Ansinnen zunächst ab.

Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch musste zwischenzeitlich etliches an Vermittlungsarbeit leisten. Zur Bekanntgabe des neuen Vertrages meinte er jetzt: "Der Aufsichtsrat sieht auch in den kommenden Jahren unter der Leitung von Dr. Diess beste Voraussetzungen für eine weiterhin erfolgreiche Entwicklung des gesamten Unternehmens, insbesondere mit Blick auf die Strategie 2030."

Die von Diess maßgeblich mit ausgearbeitete Gesamtausrichtung für die nächsten neun Jahre soll am Dienstag (13. Juli) näher vorgestellt werden. Wie bereits bekannt wurde, sieht das Konzept "New Auto" unter anderem vor, viel Geld in ein neues Entwicklungszentrum zu stecken. Für den "Campus Sandkamp" in Wolfsburg könnten rund 800 Millionen Euro investiert werden, hieß es in einem Brief an die Belegschaft.

Ziel ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die künftigen Aufgaben vorzubereiten: "Auf dem Weg vom klassischen Ingenieurs- und Facharbeiter-Konzern zu den Arbeitsfeldern eines Tech-Unternehmens werden die individuellen Veränderungsmöglichkeiten zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor." Aus einem "Modernisierungsfonds" fließen zusätzlich 125 Millionen Euro in die Standorte der VW AG.

Die Geschäfte im Konzern liefen im zurückliegenden ersten Halbjahr gut. Für den Zeitraum von Januar bis Juni meldeten die Wolfsburger auf Basis vorläufiger Zahlen ein Betriebsergebnis von rund 11 Milliarden Euro – im gesamten, von der Corona-Krise geprägten Vorjahr waren es vor Sondereffekten gut 10,6 Milliarden Euro gewesen.

Besonders während des Lockdowns im zweiten Quartal 2020 hatten in vielen Ländern geschlossene Autohäuser, stillgelegte Werke und verunsicherte Kunden dem Konzern noch tiefrote Zahlen eingebrockt. Vor Sondereinflüssen hatte der Halbjahresverlust im laufenden Geschäft damals insgesamt 803 Millionen Euro betragen. Nachdem auch der Heimatmarkt Westeuropa zunächst noch geschwächelt hatte, stieg der Absatz des VW-Konzerns zuletzt überall deutlich.

Die Befürchtungen eines länger anhaltenden Abschwungs in der gesamten Autoindustrie nach dem Corona-Tief Anfang bis Mitte vorigen Jahres bewahrheiteten sich bisher nicht. Auch andere Anbieter verdienen wieder gut. Ein großer Unsicherheitsfaktor beschäftigt die Branche jedoch nach wie vor: die globale Lieferkrise bei Elektronik-Chips.

Diess wird gerade bei IT-Themen für seine Entschlossenheit geschätzt. Zugleich rieb er sich bei VW aber wiederholt in Streitereien mit dem mächtigen Ex-Betriebsratschef und -Aufseher Bernd Osterloh auf. Das Tempo des Umbaus einschließlich der Streichung einiger Tausend Jobs stieß in der Belegschaftsvertretung immer wieder auf Kritik. Diess erklärte seinerseits, verkrustete Strukturen aufbrechen zu wollen.

Die Auseinandersetzungen schaukelten sich im Sommer 2020 zu einem Eklat hoch, als der Vorstandschef Mitgliedern des Aufsichtsrats strafbares Verhalten und "fehlende Integrität" durch Indiskretionen vorwarf. Später entschuldigte er sich. Auf der anderen Seite stärkten Fürsprecher dem Manager den Rücken und betonten, Volkswagen dürfe mitten im Umbau nicht vorschnell auf anderes Führungspersonal setzen.

Osterloh ist seit Anfang Mai nicht mehr in Wolfsburg, er ging als Personalchef zur VW-Nutzfahrzeug-Holding Traton nach München. Seine Nachfolgerin an der Spitze des Betriebsrats sowie im Präsidium des VW-Aufsichtsrates, Daniela Cavallo, hatte angekündigt, die Interessen der Arbeitnehmerschaft genauso entschlossen vertreten zu wollen.

(tiw)