Digital Markets Act: "Meilenstein" gegen die Ăśbermacht von Big Tech?
Mit dem DMA ist die Hoffnung verbunden, dass kleinere Digitalfirmen mit den neuen Wettbewerbsinstrumenten den Online-Giganten Paroli bieten können.​
Der am Donnerstag zwischen EU-Rat, Parlament und Kommission ausgehandelte Kompromiss zum Digital Markets Act (DMA) ist für den Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) ein "Meilenstein auf dem Weg in ein digital souveränes Europa". Der BITMi reihte sich damit am Freitag in die breite Phalanx der Befürworter der EU-Verordnung ein. Für kleinere werde endlich die Tür "zu einem offeneren Markt und einem fairen Wettbewerb" aufgestoßen. Auf neuen Geräten müssten künftig Auswahlmöglichkeiten über die vorinstallierten Browser oder E-Mail-Programme gegeben werden.
Auch die Coalition for App Fairness, der Akteure wie Deezer, Epic Games, der European Publishers Council, Proton und Spotify angehören, beglückwünschte die politischen Entscheidungsträger der EU zu "diesem wichtigen Schritt im Kampf für ein freies und faires mobiles App-Ökosystem". Der deutsche Startup-Verband sprach von einem entscheidenden Vorstoß "für mehr Chancengerechtigkeit im Zeitalter der Plattform-Ökonomie". Das gesamte Tech-Ökosystem Europas werde davon profitieren.
"Wichtig fĂĽr Pressefreiheit"
Die Presseverbände MVFP und BDZV bezeichneten vor allem die "Verpflichtung von Google und Facebook zu fairen und diskriminierungsfreien Zugangsbedingungen" bei der Suche, sozialen Netzwerke und App-Stores als "wichtigen Schritt zur Sicherung der Pressefreiheit im digitalen Zeitalter". Andere mächtige Torwächter wie Amazon oder Chrome müssten so bald als möglich einbezogen werden.
Größtenteils zufrieden zeigte sich auch der Verband Privater Medien (Vaunet), dessen Vorstandsvorsitzender Claus Grewenig (RTL) sich über "Zugang zu Daten, neutrale Nutzungsmessung oder Maßnahmen gegen Selbstbevorzugung plattformeigener Angebote" freut. Bei der Regulierung von Werbenetzwerken "wäre allerdings ein deutlich weitreichender Aufschlag möglich und nötig gewesen."
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) begrüßte den Verordnungsentwurf, der noch offiziell im Parlament und vom Ministerrat beschlossen werden muss. Verbraucher erhielten damit "deutlich mehr Wahlfreiheit in der digitalen Welt". Dass Gatekeepern wie Google, Apple oder Amazon schon von vornherein verschiedene Praktiken untersagt würden, mit denen sie bisher ihre Marktstellung ausnutzen konnten, sei eine sinnvolle Ergänzung zum später ansetzenden Wettbewerbsrecht.
Apple müsse es etwa zulassen, dass Kunden alternative, günstigere App Stores nutzen, hebt der vzbv hervor. Der iPhone-Hersteller könne sie auch nicht mehr zwingen, seinen Bezahldienst einzusetzen. WhatsApp werde ferner gezwungen, seinen Messenger interoperabel zu gestalten. Betreiber von Online-Marktplätzen wie Amazon oder Suchmaschinen dürften ihre eigenen Produkte oder Dienste in Ergebnislisten nicht mehr bevorzugt darstellen. Leider sei das Verbot personalisierter Werbung für Kinder und Jugendliche am Ende doch nicht in den DMA aufgenommen worden. Es sei nun umso wichtiger, dass dieses im parallel beratenen Digital Services Act (DSA) verankert werde.
Der erzielte Kompromiss könne das stark zentralisierte Umfeld in Frage stellen, "in dem Big-Tech-Plattformen zu viel Macht über unsere Rechte und über den Informationsfluss in der Gesellschaft ausüben", lobte die Initiative European Digital Rights (EDRi). Es sei aber enttäuschend, dass die Übereinkunft Gatekeepern "eine unnötig lange Übergangsfrist für die Einführung der Interoperabilität von Sprachanrufen und Gruppenchats einräumt".
"Drakonische Strafen"
Der Stuttgarter Medienrechtler Tobias Keber bescheinigte dem DMA "großes Wirkungspotenzial". Marktmächtige Gatekeeper riskierten Geldstrafen von bis zu zehn Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes, im Wiederholungsfall sogar 20 Prozent. Als Ultima Ratio drohe die Zerschlagung eines Konzerns. Das sei ein Sanktionsrahmen, der noch weit über dem der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) liege, deren Strafen von bis zu vier Prozent des Umsatzes "von manchen bereits als drakonisch bezeichnet wurden".
"Wenn ein Nutzer künftig in der Lage sein wird, seiner Freundin, die ausschließlich den Messenger-Dienst Signal nutzt, über WhatsApp eine Nachricht zukommen zu lassen", kann Keber zufolge die dominante Position der Meta-Tochter im Markt der Messenger zumindest abgemildert werden. Interoperabilität sei ein Weg dazu, Wechselbarrieren abzubauen. Sie dürfe aber nicht mit Vorgaben des Datenschutzes und der Datensicherheit in Konflikt geraten. Wenn Messenger unterschiedliche Verschlüsselungsstandards nutzen, seien dienstübergreifende Nachrichten "jedenfalls technisch nicht trivial".
(vbr)