Digitalverband Bitkom: Deutschland bei Digitalisierung nur im Mittelfeld

Der Branchenverband Bitkom erteilt den Digitalvorhaben der Regierung zur Halbzeit kein gutes Zeugnis: Digitalisierungsprojekte kommen kaum voran.

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Eine Person blättert durch Hängeordner in einer offenen Lade

(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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Der Branchenverband der deutschen Digital- und Telekommunikationsbranche, Bitkom, sieht bei der Digitalisierung in Deutschland großen Nachholbedarf. Der Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst ordnet Deutschland bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft im Vergleich zur Welt und zu anderen EU-Staaten nur im Mittelfeld ein. Damit sei das Land seiner Ansicht nach zwar "kein Schlusslicht, aber auch weit entfernt davon, gut zu sein", sagte er. Damit zieht Bitkom eine kritische Zwischenbilanz der Regierungsbemühungen für eine "digitale Dekade" im Land– vor fast genau einem Jahr stellte die Bundesregierung ihre Digitalstrategie vor, in dem sie hochgesteckte Ziele festlegte.

Besonders kritisch sieht Wintergerst den Zustand der Verwaltung: Hier sei Deutschland bei der Digitalisierung "überspitzt gesagt ein 'Failed State'", also ein gescheiterter Staat. Bei der Verwaltungsdigitalisierung gehe es nicht bloß darum, dass Bürger ihren Reisepass oder ihre Geburtsurkunde digital beantragen könnten, sonders es gehe vor allem darum, für die Wirtschaft digitalisierte und vereinfachte Genehmigungs- und Berichtsverfahren bereitzustellen. Die Bürokratie sei derzeit der "größte Bremsklotz" für das digitale Deutschland, sagte Wintergerst.

Die Digitalstrategie der Bundesregierung entstand vor einem Jahr bei der Kabinettsklausurtagung in Meseberg. Angesichts der an diesem Dienstag beginnenden diesjährigen Kabinettsklausur sagte Wintergerst, dass seit einem Jahr viel zu wenig passiert sei. Die Bundesregierung müsse ihre Digitalstrategie mit viel mehr Nachdruck betreiben, falls sie ihre selbstgesteckten Ziele noch vor den nächsten Wahlen erreichen wolle. Vor allem müssten die Digitalisierung von Staat und Verwaltung, der Digitalpakt für Deutschlands Schulen sowie die Datenpolitik vorangetrieben werden. Der geplante Sparkurs für Digitalisierungsprojekte führe in die falsche Richtung.

Laut Wintergerst gibt es aber einen Bereich, bei dem Deutschland im europäischen Vergleich in den vergangenen Jahren rasant aufgeholt habe: bei Konnektivität und Aufbau der Telekommunikationsinfrastruktur, also Breitbandinternet und Mobilfunk. So soll etwa bis 2025 die Hälfte der Haushalte und Unternehmen in Deutschland mit Glasfaseranschlüssen versorgt werden. Auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens komme gut voran.

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Der Branchenverband Bitkom analysiert und beobachtet die digitalpolitischen Vorhaben der Regierung laufend und fasst den Stand in einem "Monitor Digitalpolitik" zusammen. Von den geplanten 334 digitalpolitischen Vorhaben der "Ampel"-Koalition seien zur Hälfte der Legislaturperiode lediglich 38 abgeschlossen, was einem Anteil von 11 Prozent entspricht. 219 Vorhaben befinden sich derzeit in der Umsetzung (66 Prozent) und 77 Vorhaben (23 Prozent) wurde bisher nicht begonnen – also knapp jedes vierte Vorhaben. Die Regierung habe sich ein ambitioniertes Programm gegeben, komme aber nicht mit der Umsetzung hinterher, sagte Wintergerst.

Die digitalpolitischen Vorhaben der Regierung seien höchst unterschiedlich über alle Ministerien und Behörden verteilt, analysiert Bitkom. Dabei fielen dem Innenministerium mit fast einem Viertel der Großteil aller Projekte zu, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit jedoch kein einziges. Zwischen den Ressorts gebe es eine breite Streuung der Zuständigkeiten und auch die Komplexität der Projekte unterscheide sich erheblich.

Besonders hebt Bitkom hervor, dass der Digitalpakt 2.0 für Schulen nicht vorankomme. Hier hinke man Ländern wie Dänemark 20 Jahre hinterher. Ähnlich sei es im Vergleich zu anderen kleineren Ländern wie Österreich und Estland. Es fehle immer noch an Vorstellungen, wie der Pakt ausgestaltet werden solle. Wenn hier die Untätigkeit nicht bald beendet werde, schade das nicht nur den Schülern, sondern Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt.

(tiw)