Drei Fragen und Antworten: Flexiblere Festanstellung – das Ende des Freelancing?
Neue Modelle der IT-Arbeit versprechen Angestellten mehr Freiheit im Alltag – und eröffnen auch für Freelancer neue Chancen, glaubt Peggy de Lange.
Die Arbeitswelt in der IT hat sich nachhaltig verändert. Das wird zumindest immer wieder kolportiert. Im Interview erklärt Peggy de Lange vom Freelancer-Portal fiverr, warum der Wandel für Arbeitnehmer eine Win-Win-Situation ist.
Frau de Lange, immer wieder hört man, dass die jüngere Generation der ITler mehr Wert auf flexiblere Arbeitsmodelle legt. Lässt sich das auch in Zahlen belegen?
Unsere Arbeitswelt befindet sich gerade ohne Zweifel in einem großen strukturellen Umbruch. Die Wünsche und Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den letzten zwei Jahren komplett gedreht. Neben der beschleunigten digitalen Transformation hat sich auch New Work ganz natürlich im Arbeitsalltag etabliert. Starre Strukturen sind nicht mehr zeitgemäß, Flexibilität ist jetzt das wichtigste Schlagwort. Die ITler sind in dieser Bewegung Vorreiter, zum Beispiel in Sachen Remote Work: laut dem Münchner ifo-Institut lag der Anteil der ITler im Homeoffice noch im April 2022 bei über 70 Prozent.
Auch Festangestellte profitieren mit den neuen Arbeitsmodellen von einigen der Freiheiten, die bislang als große Argumente für Freelancing galten. Inwiefern sind diese Entwicklungen damit ein Problem für das Arbeitsmodell Freiberuflichkeit und damit Vermittlungsportale wie das Ihre?
Ganz im Gegenteil: Wir sehen die neue Offenheit von Unternehmen gegenüber Remote-Work-Modellen als Chance. Unternehmenskulturen sind im Wandel, Hürden werden beseitigt – das ebnet den Weg für flexible Organisationsstrukturen und die Einbindung von Freelancern in interne Arbeitsabläufe. Freie Spezialisten werden punktuell ins Team geholt und liefern wichtiges Know-how. Wir nennen das die „Liquid Workforce“.
Das Wachstum unserer Plattform ist ein Beispiel dafür, dass immer mehr Unternehmen weltweit Freelancer engagieren. So haben wir vor Kurzem unsere Freelancer-Community in den USA nach ihrer Auftragslage befragt, und 61 Prozent derjenigen, die technische Dienstleistungen anbieten, konnten in den letzten Monaten trotz der massiven wirtschaftlichen Krisen eine steigende Nachfrage verzeichnen. Ähnliches beobachten wir auch in Deutschland.
Welche Rolle spielen in dieser vermeintlich schönen neuen Arbeitswelt denn dann überhaupt noch Gehälter und Honorare? Müssen ITler sich trotz Rekordinflation mit "nur" den verbesserten Rahmenbedingungen zufriedengeben?
Selbstverständlich nicht. IT-Fachkräfte mit guten Qualifikationen werden heute mehr gebraucht denn je. Nicht umsonst spricht die Branche vom „War of Talent“. Viele Technologien, mit denen Unternehmen heute arbeiten, sind noch sehr neu und die Anzahl der Experten ist begrenzt. Mit Innovationen wie dem Metaverse – und in diesem Bereich sehen wir jetzt schon einen Nachfrageboom auf unserer Plattform – wird sich die Lage noch zuspitzen.
Top-Qualifikationen werden auch entsprechend vergütet. Gerade in Zeiten von steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten muss ein Ausgleich stattfinden. Bei der Umfrage in der Freelance-Community in den USA haben wir zum Beispiel herausgefunden, dass viele ihre Stundensätze bereits angepasst haben. 86 Prozent der Befragten haben außerdem berichtet, dass sie dadurch keine Kunden verloren haben. Unternehmen, die qualifizierte Spezialisten benötigen, berücksichtigen deren Anforderungen auch in den meisten Fällen, zumal die massiv voranschreitende Digitalisierung die Nachfrage an IT-Experten antreibt.
Vielen Dank für Ihre Antworten Frau de Lange
In der Serie „Drei Fragen und Antworten“ will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.
(jvo)