Drei Fragen und Antworten: Wie der Lidl-Mutterkonzern die souveräne Cloud baut

Eine digital souveräne Cloud bei Schwarz Digits aufzubauen ist teuer – doch die Abhängigkeit schmerzt langfristig mehr, meint Walter Wolf.

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Roboter mit Sprechblase

(Bild: iX)

Lesezeit: 6 Min.

Geredet wird viel über die Abhängigkeit von US-Konzernen sowie der dringend benötigten digitalen Souveränität in Deutschland und Europa. Die Schwarz Gruppe – dem Handelskonzern gehören unter anderem die Marken Lidl und Kaufland – startete 2020 ins Cloud-Geschäft. Und das mit ambitionierten Plänen, denn von Anfang an hieß es, dass man eine hiesige Alternative zu AWS, Azure und Co. bereitstellen will. Das Angebot STACKIT, das auf KMUs zugeschnittene Infrastruktur- (IaaS), Plattform-Services (PaaS) und Runtimes bietet, ging Anfang 2022 live. Wir sprachen jetzt mit Walter Wolf, Vorstand bei Schwarz Digits, über den Stand der Dinge.

Im Interview: Walter Wolf

(Bild: 

Schwarz Digits

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Walter Wolf, Vorstand bei Schwarz Digits

Mit Schwarz Digits gibt es jetzt einen weiteren Anbieter für Cloud-Infrastruktur, der vor allem auf digitale Souveränität für Europa setzt. Warum sollte das reichen, um gegen die etablierte Marktmacht von AWS, Azure & Co. anzutreten?

Genau wie bei der Energieversorgung müssen wir uns auch bei der Digitalisierung fragen: Können wir es uns leisten, in Schlüsseltechnologien von anderen Ländern abhängig zu sein? Spätestens seit den Herausforderungen bei der Gasversorgung sollte jedem klar sein: Europa braucht technologische Souveränität. Derzeit sind wir stark abhängig von außereuropäischen Anbietern, die unsere Werte nicht teilen, beispielsweise nicht den europäischen Datenschutzstandards unterliegen. Deshalb haben wir entschieden, bei der Digitalisierung eigene Wege zu gehen und uns nicht auf Angebote Anderer zu verlassen.

Wir mussten einen sicheren Ort für die Unternehmens-Daten der Schwarz Gruppe finden, bei dem sowohl Datenspeicherung als auch Datenprozessierung in Deutschland stattfinden. Kein Anbieter am Markt konnte uns diese Kernkompetenz bieten, also haben wir STACKIT, unsere eigene Cloud, gebaut. Nachdem wir sichergestellt haben, dass die Lösung für uns funktioniert und uns das maximale Maß an Unabhängigkeit bietet, haben wir 2022 begonnen, unsere Cloud-Services auch extern anzubieten. Mit der Akquisition von XM Cyber liefern wir mit unserem Attack Path Management zusätzlich Hybrid-Cloud-Sicherheitslösungen. Bei diesem Ansatz sehen Kunden ihr Netzwerk durch die Augen eines Angreifers und können so Angriffspunkte beheben, bevor es eine echte Cyberattacke gibt. Unsere Lösungen sind über den Souveränitätsgedanken hinaus auch deshalb attraktiv, weil sie besonders sicher sind. Das bestätigt unsere jüngst bestandene Wirksamkeitsprüfung Typ 2 mit STACKIT und XM Cyber zum C5 Testat des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), mit dem wir das höchste Sicherheitsniveau der strengen Kriterien des BSI erfüllen.

Unternehmenskunden können, aber öffentliche Institutionen müssen meist ihre Dienste von hiesigen Cloud-Anbietern beziehen. In welchem Verhältnis stehen die Kundengruppen bei Schwarz Digits und wie richten Sie ihre Angebote hierauf aus?

Grundsätzlich sind alle unsere Angebote digital souverän und nach höchsten Standards sicher, daher unterschieden wir die Angebote nicht, die wir Unternehmenskunden oder öffentlichen Institutionen anbieten.

Aktuell bemerken wir großes Interesse vor allem aus den regulierten Industrien, beispielsweise im Public und Health Sektor – eben dort, wo sehr viel Wert auf Souveränität gelegt wird. Die Digitalisierung von Staat und Verwaltung ist ein wesentlicher Baustein und Grundvoraussetzung zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit unseres Landes und ganz Europas. Eine resiliente und starke Verwaltung ist jederzeit auf allen Ebenen handlungsfähig und digital souverän. Deshalb bieten wir unsere STACKIT Cloud ab jetzt unkompliziert über den Cloud-Broker BTC den Mitgliedern und Trägern von govdigital, der Genossenschaft der öffentlichen IT-Dienstleister, an.

Darüber hinaus sind wir mit F13 Teil einer strategischen Partnerschaft mit Aleph Alpha und dem GovTech Campus Deutschland. Gemeinsam bieten wir dem Land Baden-Württemberg ein KI-Assistenzsystem auf höchstem Datensouveränität-Niveau, welches dabei hilft, die Verwaltung zu digitalisieren.

Aber auch in der Privatwirtschaft ist es enorm wichtig, kritisch mit den eigenen Daten umzugehen. Deutschland lebt von seinem Wissen und seiner Innovationskraft, vor allem im Mittelstand. Wenn wir dieses in die Hände außereuropäischer Konzerne legen, machen wir uns im Kern unserer wirtschaftlichen Wertschöpfung vom Wohlwollen anderer abhängig.

Der Standort der Server ist das eine, die Auswahl der Hard- und Software das andere. Wie will Schwarz Digits sicherstellen, dass bei der Auswahl der eigenen Infrastruktur keine falschen Abhängigkeiten entstehen?

Wir gehen keine Kompromisse ein, wenn es um unsere Unabhängigkeit und die Sicherung unseres kritischen digitalen Kerns geht. Wenn beispielsweise ein Anbieter heute seine Services abschaltet, müssen unsere Systeme und Dienste weiterhin reibungslos funktionieren. Darauf richten wir auch die Auswahl unserer Hard- und Software aus. Daher leben wir den Open-Source-Gedanken und richten unsere Systeme entsprechend aus, um nicht in einen Vendor Lock-in zu geraten. Zusätzlich prüfen wir, ob mögliche Anbieter mit Blick auf ihre wirtschaftliche Lage sowie auf die Bereitstellung ihrer Services stabil sind. Mit einem Blick in den Quellcode gehen wir sicher, dass unsere Anforderungen erfüllt werden. Unabhängigkeit hat ihren Preis. Abhängigkeit schmerzt auf lange Sicht aber immer mehr.

Herr Wolf, vielen Dank für die Antworten!

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(fo)