Drei Fragen und Antworten: Machen Quantencomputer herkömmliche Rechner nutzlos?
Wahre Wunderdinge erhofft man sich von Quantencomputern. Aber der Weg vom mathematischen Beweis der Quantenüberlegenheit bis zum Lösen echter Probleme ist weit.
Beim Quantencomputing kollidieren große Versprechen mit der harten Wirklichkeit – noch steht der erhoffte Durchbruch aus. Es ist ein weiter Weg vom mathematischen Beweis einer Quantenüberlegenheit bis zum Lösen wirklicher Probleme. Im Interview erklärt der Physiker Michael Streif, woran das liegt.
Wo sehen Sie in näherer Zukunft Quantencomputing vor dem Durchbruch – und wo ist der Praxiseinsatz noch in ferner Zukunft?
Die ersten nützlichen Anwendungen von Quantencomputern werden in der Grundlagenforschung zu finden sein. Hier können sie Forschern helfen, komplexe theoretische Fragen zu beantworten, die mit herkömmlichen Computern schwer zu lösen sind. Mittelfristig können Quantencomputer in der Medikamentenentwicklung eine wichtige Rolle spielen, indem sie die Simulation von Molekülen verbessern. Im Gegensatz dazu befindet sich die Anwendung von Quantencomputern im Bereich des maschinellen Lernens jedoch noch in weit entfernter Zukunft.
Woran liegt es denn, dass es trotz der vielen Fortschritte noch keinen wirklichen Durchbruch in der Industrie gegeben hat?
Die Erwartungen an das Quantencomputing sind hoch, doch die Technologie befindet sich noch in der experimentellen Phase. Aktuelle Quantencomputer sind eher Physik-Experimente als praktische Rechenmaschinen. Zwar sind die Fortschritte auf Hardware- und Softwareseite beeindruckend, doch die Komplexität der Technologie erfordert noch viel weitere Forschung. Ein industrieller Durchbruch erfordert Zeit und kontinuierliche Innovationen in Hardware und Algorithmen.
Falls es dazu kommt: Werden herkömmliche Computer dann in kürzester Zeit nutzlos?
Nein, herkömmliche, klassische Computer werden nicht in kürzester Zeit nutzlos. Quantencomputer werden in der Zukunft sehr spezielle Rechenaufgaben übernehmen, die sie effizienter lösen können als klassische Rechner. Für die Mehrheit der Rechenaufgaben in der Industrie werden jedoch weiterhin klassische Rechner die erste Wahl bleiben, da sie für eine breite Palette von Aufgaben besser geeignet sind. Es ist wahrscheinlich, dass Quantencomputer und klassische Rechner in der Zukunft nebeneinander existieren und je nach Fragestellung eingesetzt werden.
Michael, vielen Dank fĂĽr die Antworten! Wer mehr zu Quantencomputern in der Industrie und der Suche nach dem frĂĽhen Quantenvorteil erfahren will, findet beide Titelartikel der neuen iX bei heise+. Weitere Themen der Juni-Ausgabe sind Benchmarks fĂĽr LLMs, die Containerorchestrierung mit Nomad und eine MarktĂĽbersicht zu KI-Servern. Wer kein Abo hat, findet das Heft 6/2024 ab sofort im heise Shop.
In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.
(fo)