E-Book-Verleih: Internet Archive verliert Copyright-Prozess

Der E-Book-Verleih des Internet Archive ist ein Verstoß gegen US-Copyright. Teilerfolge vor dem Berufungsgericht reichen nicht aus, das Urteil umzudrehen.​

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Weißes Copyright-Symbol

(Bild: MR Gao/Shutterstock.com)

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Während Google Books in den USA legal ist, gilt das nicht für die E-Book-Bibliothek des Internet Archive. Das hat ein US-Bundesberufungsgericht am Mittwoch bestätigt. Demnach verletzen die Ausleihen des Internet Archive US-Copyright und fallen nicht unter dessen Bestimmungen über Fair Use. Das ist ein herber Rückschlag für das Projekt. "Wir sind enttäuscht", sagt das Internet Archive, "Wir werden fortfahren, das Recht von Bibliotheken, Bücher zu besitzen, zu verleihen und zu erhalten, verteidigen." Immerhin enthält das Urteil eine wichtige Entscheidung zugunsten Fair Use im Allgemeinen, was für das konkrete Projekt aber zu wenig ist, um das Urteil der ersten Instanz insgesamt umzudrehen.

Das Internet Archive scannt Bücher ein und verleiht sie dann als DRM-gesperrtes E-Book, das sich Nutzer auch vorlesen lassen konnten. Dabei achtete das Internet Archive ursprünglich darauf, nie mehr elektronische Kopien gleichzeitig herauszugeben, als es papierene Kopien des jeweiligen Buches im eigenen Lager hat. Später fügte das Internet Archive zu dieser Zählung auch die gedruckten Bestände von Partnerbibliotheken hinzu. Jedenfalls waren (mit Ausnahme einer Phase während Coronavirus-bedingter Einschränkungen) keine zusätzlichen Werkstücke im Umlauf, aber eben elektronische Versionen anstatt gedruckter.

Damit wähnte sich das Internet Archiv rechtlich auf der sicheren Seite von Fair Use. Dem ist allerdings nicht so, wie nach dem US-Bundesbezirksgericht für das Südliche New York nun auch das Bundesberufungsgericht für den zweiten Bundesgerichtsbezirk entschieden hat. Die Klage wird von vier großen Verlagen geführt.

Ziel des US-Copyright ist, "den Fortschritt von Wissenschaft und nützlicher Kunst zu fördern". Wenn es hilft, dieses Ziel zu erreichen, kann ein fremdes Werk selbst dann genutzt werden, wenn der Rechteinhaber nicht zustimmt. Diese Doktrin ist als Fair Use bekannt. Wann genau Fair Use vorliegt, ist im Gesetz jedoch nicht abschließend geregelt. Das wäre auch sehr schwierig.

Im Streitfall müssen vier Elemente geprüft werden: Es kommt auf den Zweck der Nutzung an – kommerziell, nichtkommerziell oder für Bildung – sowie auf die Art des Werks, die genutzten Ausschnitte im Vergleich zum Gesamtwerk und schließlich die Auswirkungen auf den potenziellen Markt oder Wert des Werks. Gemeinsam mit dem Zweck der Nutzung ist auch zu prüfen, ob die fremden Werke einfach 1:1 übernommen werden, was gegen Fair Use spräche, oder aber in verändernder Weise (transformativ) genutzt werden. Die vier Prüfungsergebnisse müssen schließlich gegeneinander abgewogen werden.

Das haben die drei Richter des Berufungsgerichts getan. Das Argument des Internet Archive, wonach seine E-Bibliothek "verändernde" Nutzung (transformative use) sei, weil die Ausleihe bequemer und effizienter werde und sichergestellt sei, dass nur eine Person gleichzeitig das E-Book nutzen kann, haben sich die Richter nicht angeschlossen. Die komplette Zurverfügungstellung der Bücher ohne Kommentar, Kritik oder Zusatzinformation sei nicht verändernd, weil nichts Neues erzeugt, kein anderer Zweck erreicht und kein unterschiedlicher Charakter zum Ausdruck komme.

Einen Erfolg kann das Internet Archive beim nächsten Prüfschritt verbuchen: Das Bezirksgericht stufte die Nutzung als kommerziell ein; zwar handelt es sich um geliehene, nicht um gemietete Bücher, aber das Internet Archive bitte um Spenden und verdiene Provisionen, wenn Leser über einen Link zu einem Partnerbuchhändler surfen und dort Bücher kaufen. Das Berufungsgericht sieht das anders: Das Internet Archive ist unbestritten gemeinnützig, muss sich aber irgendwie finanzieren. Spenden und die Partnerschaft mit einem Buchhändler seien keine Grundlage, das Angebot als kommerziell einzustufen.

Das ist zwar eine wichtige Entscheidung in Hinblick auf andere gemeinnützige Projekte, hilft dem Internet Archive in diesem Fall aber nicht. Mangels verändernder Nutzung spricht das erste Element der Fair-Use-Prüfung immer noch gegen das Internet Archive.

Hier machen die Richter kurzen Prozess, die betroffenen Bücher liegen eindeutig im Kernbereich des US-Copyright. (Gemeinfreie Bücher sind nicht Teil der Klage.) Das zweite Element wiegt also schwer zugunsten der klagenden Rechteinhaber, nämlich Hachette, HarperCollins, John WIley & Sons sowie Penguin Random House.