EU-Plattform-Regeln: Sozialdemokraten werfen Big Tech zwielichtiges Lobbying vor

Führende EU-Abgeordnete beklagen Foulspiel beim Lobbying gegen Digitalgesetze durch Google, Meta & Co. Deren Zugang zum Parlament müsse eingeschränkt werden.

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Wegweiser "Lobby"

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Große US-Technologieunternehmen wie Google, Meta und Amazon haben die Gesetzgeber bei den Beratungen über die neuen Regeln für Online-Plattformen getäuscht, indem sie über kleinere Tarnorganisationen Lobbyarbeit betrieben haben. Diesen Vorwurf haben führende EU-Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion aus den Niederlanden, Deutschland und Dänemark erhoben. Sie drängen zugleich auf ein Verbot der Zusammenarbeit dieser Konzerne mit den EU-Institutionen.

Die Parlamentarier Paul Tang, René Repasi und Christel Schaldemose haben daher Beschwerden gegen acht Unternehmen und Lobbygruppen beim Aufsichtsgremium für das EU-Transparenzregister eingereicht, mit dem die Lobbytätigkeiten von Interessenvertretern auf europäischer Ebene erfasst und kontrolliert werden sollen. Dies berichtet das Magazin "Politico", das nach eigenen Angaben Einblick in die entsprechenden Unterlagen hatte.

Tang bestätigte den Schritt auf Twitter: "Die Täuschung von Gesetzgebern durch fingierte Lobbygruppen schadet dem demokratischen Prozess", schrieb der Niederländer. Das Trio habe die zuständige Behörde gebeten, in dem Fall zu ermitteln. Wenn das Fehlverhalten involvierter Big-Tech-Unternehmen erwiesen werde, müsse ihnen der Zugang zum Parlament und anderen an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen verweigert werden.

Die Volksvertreter fordern dem Bericht nach eine Untersuchung von Google, der Facebook-Muttergesellschaft Meta und Amazon sowie von großen Lobbygruppen. Dazu gehören der IT-Verband Computer & Communications Industry Association (CCIA) und die Vereinigung IAB Europe, die Interessen von Unternehmen aus den Bereichen des digitalen und interaktiven Marketings vertritt. Mit SME Connect, Allied for Startups und Connected Commerce Council (3C) sind drei weitere Lobbygruppen Ziel der Beschwerden, die angeblich kleine und mittlere Unternehmen vertreten.

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Den Beschwerden der Abgeordneten zufolge haben die Internetkonzerne die europäischen Gesetzgeber während der Verhandlungen über den gerade im EU-Amtsblatt veröffentlichten Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA) getäuscht. Sie sollen sich hinter kleineren Lobbygruppen versteckt haben, die sich angeblich für den Mittelstand starkmachen, und diesen Vereinigungen finanzielle Mittel und Anweisungen gegeben haben. Die Parlamentarier beklagten: Die Big-Tech-Verbindungen dieser U-Boote seien nicht offengelegt worden.

Größere Gruppen wie CCIA und IAB Europe sollen zudem ihre eigenen Interessen gezielt im Namen von Start-ups vertreten haben, die im EU-Lobbyregister nicht verzeichnet sind. Tang beklagte ein Foulspiel, das gegen die Transparenzvorschriften verstoße. Die Abgeordneten und Vertreter anderer am Gesetzgebungsprozess beteiligter Gremien müssten wissen, mit wem sie es zu tun haben. Er zeigte sich besorgt, dass das sogenannte Astroturfing bei neuen Digitalgesetzen wie den geplanten Verordnungen für Künstliche Intelligenz (KI) und zur Chatkontrolle fortgesetzt werden könnte.

Mit dem DMA und dem DSA will die EU die Marktmacht großer Plattformen begrenzen, die Verbreitung illegaler Inhalte im Internet eindämmen und personalisierte Werbung einschränken, die den Kern des Geschäftsmodells von Google und Facebook bildet. Bei Verstößen drohen den Betreibern Geldbußen in Milliardenhöhe.

Das IAB Europe räumte gegenüber "Politico" ein, sich einigen von öffentlich kommunizierten Aktionen der Koalition "Targeting Startups" angeschlossen zu haben. Die Behauptung, man würde vorgeben, andere Kräfte zu vertreten als die eigenen Mitglieder, sei aber absurd. Ein Google-Sprecher betonte, Offenheit zähle zu wichtigen Werten für den Konzern. Die Partnerschaft mit dem 3C habe man deutlich ausgewiesen. Der 3C selbst, Amazon, Allied for Startups und CCIA distanzierten sich ebenfalls von den Vorwürfen. Meta und SME Connect äußerten sich zunächst nicht.

Laut einer im vorigen Jahr von zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlichten Studie zur "Lobbymacht von Big Tech" bemühten sich Google, Facebook, Microsoft & Co. mit Rekordausgaben, die damals geplanten Plattformgesetze zu beeinflussen. Die Digitalkonzerne ließen ihre Interessen zudem von einem breiten Netzwerk aus professionellen Lobbygruppen, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien vertreten, hieß es schon damals. Zudem finanzierten sie zahlreiche Denkfabriken und andere Gruppierungen wie das Centre for Information Policy Leadership (CIPL) und das Center on Regulation in Europe (CERRE).

(tiw)