EU-Staaten schränken Pressefreiheit im Namen der nationalen Sicherheit ein
Der EU-Rat hat seine umstrittene Position zum Medienfreiheitsgesetz beschlossen, wonach Journalisten prinzipiell mit Staatstrojanern ĂĽberwacht werden dĂĽrften.
65 Presse- und Bürgerrechtsorganisationen hatten am Montag den EU-Ministerrat noch in einem offenen Brandbrief aufgefordert, Journalisten mit dem geplanten Medienfreiheitsgesetz effektiv vor Überwachung etwa mit Staatstrojanern zu schützen. Doch das Rufen war vergeblich. Das Gremium der Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten hat am Mittwoch seine Linie zum Media Freedom Act abgesteckt, wonach ihre Sicherheitsbehörden Medienvertreter unter anderem aus Gründen der "nationalen Sicherheit" mit Spyware ausspionieren dürften. Dies würde auch den Quellenschutz aushöhlen.
Die entsprechende Passage in Artikel 4 der Ratsversion lautet jetzt so: Den EU-Ländern soll es nicht gestattet sein, in die Grundrechte eingreifende Überwachungssoftware auf allen von Journalisten oder engen Kontaktpersonen verwendeten Geräten oder Maschinen einzusetzen. In dem besonders umkämpften Zusatz heißt es: "Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für den Schutz der nationalen Sicherheit bleibt von diesem Artikel unberührt." Weitere Ausnahmen sind etwa vorgesehen, wenn gegen Personen wegen Straftaten ermittelt wird, die mit einer Freiheitsstrafe für eine Höchstdauer von mindestens drei Jahren geahndet werden können.
Schutzklausel "eine leere HĂĽlle"
Die Klausel würde den Einsatz von Staatstrojanern gegen Journalisten legalisieren, warnten die zivilgesellschaftlichen Kritiker im Vorfeld. Von der geplanten Schutzklausel bliebe nur "eine leere Hülle" übrig. Die weitere Änderung des Artikels habe zur Folge, dass die Liste der Straftaten, die den Einsatz von Spyware gegen Journalisten und ihre Quellen rechtfertigen, "massiv erweitert wird". Darunter fielen auch weniger schwerwiegende Straftaten wie "Brandstiftung" oder "Produktpiraterie". Dies sei aus grundrechtlicher Sicht "äußerst problematisch".
Die Betreiber sehr großer Online-Plattformen mit über 45 Millionen Nutzern in der EU müssten dem Medienfreiheitsgesetz nach eine Funktion bereitstellen, die es Anbietern von Mediendiensten ermöglicht, sich als privilegiert auszuweisen. So sollen die Begünstigten etwa erklären können, dass sie redaktionell unabhängig von Mitgliedstaaten und Drittländern sind und nach anerkannten Standards arbeiten. Hiesige Verlegerverbände drängten im Vorfeld auf eine noch weitergehende "Medienausnahme", wonach etwa Facebook, Twitter und YouTube Inhalte von Medienhäusern anzeigen müssten. Der IT-Branchenverband Computer & Communications Industry Association (CCIA) zeigte sich erfreut, dass es eine solche Passage nicht in den Ratsentwurf geschafft hat, der jetzt noch mit dem EU-Parlament verhandelt werden muss. Schlupflöcher blieben aber offen. Diese könnten von böswilligen Akteuren ausgenutzt werden, die sich als Presse ausgeben.
(axk)