EU-Telecom-Paket: Neue Regeln für Netzzugang, Frequenzvergabe und Datenschutz
Das EU-Parlament hat, während es den Kompromiss zu Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ablehnte, mit großer Mehrheit die meisten Teile des umfangreichen Pakets zur Reform der Regulierung des Telekommunikationsmarktes verabschiedet.
Das EU-Parlament hat am heutigen Mittwoch mit der Mehrheit von Konservativen und Sozialisten sowie zahlreichen Stimmen aus der Opposition das anderthalb Jahre umstrittene Paket zur Reform der Regulierung des Telekommunikationsmarktes in großen Teilen in 2. Lesung verabschiedet. Es umfasst in verschiedenen Richtlinien neue Verbraucherrechte, etwa zum Wechsel einen Anbieters bei Erhalt einer Telefonnummer innerhalb eines Arbeitstages oder eine Begrenzung maximaler Vertragslaufzeiten auf zwei Jahre. Die Preistransparenz soll verbessert werden etwa durch die Möglichkeit, Tarife online zu vergleichen.
Weitere Kernpunkte sind die Novellierung der Datenschutzbestimmungen für die elektronische Kommunikation, die Funkfrequenzvergabe, Anreize für Investitionen in Breitbandnetze und die Errichtung einer neuen EU-Regulierungsinstanz. Aufgrund der Auseinandersetzung um Internetsperren bei Rechtsverletzungen durch die Nutzer muss das Gesamtpaket zwar noch in den Vermittlungsausschuss mit dem EU-Rat. Dabei dürfte an den vorab bereits von den federführenden Parlamentsausschüssen angenommenen und vom Plenum jetzt bestätigten Bestandteilen aber nicht mehr gerührt werden.
Bei der Überarbeitung der "E-Privacy-Direktive" konnte der Rat nicht mit seiner Forderung punkten, Providern die Aufbewahrung von Verbindungsdaten für die Aufrechterhaltung der Funktion und Sicherheit ihrer Netzwerke zu erlauben. Über die Verletzung von Sicherheitsbestimmungen und Datenpannen müssen die Anbieter erstmals breit informieren. Konkret ist vorgesehen, dass "kompetente" nationale Behörden über eine Veröffentlichung der Providerangaben entscheiden und dafür gegebenenfalls formale Vorgaben machen. TK-Firmen sollen angehalten werden, Verzeichnisse über Datenschutzverletzungen und ihre Auswirkungen zu führen. Über die einheitliche Umsetzung der Bestimmungen wacht die Kommission gemeinsam mit Datenschützern.
Nicht mehr gestattet wird die Unterdrückung des Absenders bei E-Mails zu Marketingzwecken. Dieses Verbot soll sich auch auf SMS, MMS und vergleichbare Applikationen beziehen. Generell werden künftig auch öffentlich zugängliche private Telekommunikationsnetze von der Richtlinie erfasst. Eingeschlossen sind so etwa Hochschulnetze oder soziale Netzwerke wie StudiVZ oder Facebook. Zudem müssen die Anbieter von Applikationen, die auf persönliche Daten auf Festplatten oder anderen IT-Systemen wie USB-Sticks zurückgreifen und "nach Hause telefonieren" wollen, die Nutzer zuvor um ihre Erlaubnis nach dem Opt-in-Prinzip bitten. Dabei soll aber auch eine Browser-Voreinstellung zur Akzeptanz von Cookies als Zustimmung gelten. Bei Informationskrümeln zur Speicherung von Nutzerdaten mit dem Multimediaprogramm Flash ist aber eine gesonderte Einwilligung einzuholen. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, die Einhaltung der gesamten Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie mit effektiven Strafen und Sanktionen zu bewehren. Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen mit ausreichenden Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet werden.
Weiter enthält das Paket Vorgaben zur Aufteilung des Funkspektrums und des Einsatzes der mit der Abschaltung analoger Rundfunkkanäle verknüpften "digitalen Dividende" auch für drahtlose Breitbandverbindungen. Der öffentliche und der Meinungsvielfalt dienende Charakter des Spektrums soll aber entgegen dem Ansinnen der Kommission beibehalten werden, der Handel mit Funkfrequenzen eingeschränkt bleiben. Dazu kommen Förderanreize für den Aufbau künftiger Netzwerkgenerationen, wobei der Rat sich Kritikern zufolge mit seiner Linie der Stärkung der Rolle der früheren Staatsmonopolisten größtenteils durchgesetzt hat. So wird eine "Risikoteilung" etwa zwischen der Deutschen Telekom oder der spanischen Telefónica und kleineren Anbietern zugelassen. Andere Diensteanbieter dürfen aber nicht von der Nutzung neuer Netze ausgeschlossen werden.
Mit dem Paket hat sich Brüssel das ehrgeizige Ziel gesetzt, innerhalb von fünf Jahren 75 Prozent der Bevölkerung mit Datenübertragungsraten jenseits von 50 Mbit/s anzubinden. Es sollen neue Multimedia-Anwendungen wie medizinische Ferndiagnosen gefördert und durch virtuelle Arbeitstreffen die Umwelt geschont werden.
Bei der neuen übergeordneten Regulierungsinstanz konnte sich die EU-Kommission nicht durchsetzen mit ihrem Plan für eine "Superbehörde" mit einem Veto-Recht Brüssels. Der letztlich beschlossenen Körperschaft namens "Body of European Regulators for Electronic Communications" (BEREC) haben die Abgeordneten lediglich ins Stammbuch geschrieben, den Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt im Blick zu behalten und gegebenenfalls innerhalb von drei Monaten in einem detailliert aufgeschlüsselten Verfahren mit möglichen öffentlichen Anhörungen Sanktionen für regelwidriges Verhalten zu verhängen. Im Kern das Sagen haben werden aber weiter die nationalen Regulierungsbehörden.
Zum Status des EU-Telecom-Pakets siehe auch:
(Stefan Krempl) / (jk)