Ein Netzpolitk-Labor – Aktivisten blicken auf das Internet Governance Forum in Berlin zurück

Seite 3: Alhagie Mbow: Mehr Technik-Know-how für die Parlamente, mehr Parlamentarier zum IGF

Inhaltsverzeichnis

Alhagie Mbow

(Bild: Monika Ermert / heise online)

Für Alhagie Mbow – den jugendlich wirkenden, dabei aber IT-erfahrenen Abgeordneten des gambischen Parlaments – war Berlin das erste IGF. Alle fürs Internet wichtigen Themen wurden beim Forum diskutiert, sagt Mbow begeistert. Beim eigens neu eingerichteten Parlamentariertrack standen der Schutz von Daten, Infrastrukturentwicklung, Cybersicherheit und Künstliche Intelligenz zur Debatte in einer, wie Mbow findet, insgesamt gut informierten Gruppe von Parlamentariern aus aller Welt. „Wenn wir Gesetze machen wollen, ist es wichtig, dass wir zumindest ein wenig die Technik verstehen“, sagt Mbow. Mbow hat selbst in den USA studiert, bei AT&T und später als IT-Experte im gambischen Bankensektor gearbeitet. 2017 gewann er als mit einem regelrechten Erdrutschsieg das Mandat des Wahlbezirks Upper Saloum für die National Reconciliation Party. Heute ist er der Ansprechpartner für seine gambischen Parlamentskollegen, wenn es um technische Fragen rund ums Internet geht, und er findet: „Es ist gefährlich, wenn wir Dinge regulieren, die wir nicht ausreichend verstehen.“

In Gambia steht in den kommenden drei Monaten die Novelle des Cybersicherheitsgesetzes an. Die geltenden Regeln stammen aus dem Jahr 2009, wurden also unter der durch einen Militärputsch ans Ruder gekommenen Regierung Yahya Jammeh geschaffen. „Seither hat sich technisch so viel verändert. Was ich aus Berlin mit zurücknehme zu meinen Kollegen, ist auch, dass wir unser neues Gesetz, sobald es im Parlament aufgelegt wird, durch viele öffentliche Konsultationen begleiten lassen sollten. Nur so bekommen wir das beste Gesetz für uns alle.“ Unter anderem sei die Vereinbarkeit mit internationalen Menschenrechtsstandards wichtig. Interessante Hinweise, so berichtet Mbow, habe er von Vertretern des Europarats erhalten, die auf die eigenen Erfahrungen mit der Cybercrime-Konvention verwiesen.

Nicht ohne Besorgnis der Bankensicherheitsexperte den Austausch über Hackbacks beim Forum in Berlin verfolgt. Noch, so sagt er, sind in seinem Land Regierungsdienstleistungen – anders als Finanzdienstleistungen – eher analog. Dennoch ist die Absicherung der eigenen Infrastruktur extrem wichtig, und für Hackbacks müsse man sich international dringend darauf verständigen: „Wir dürfen uns dadurch nicht auf ein neues Gefahrenlevel katapultieren.“ Auch mit Vertretern der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat sich Mbow in Berlin ausgetauscht und auch hier haben sich interessante Anknüpfungspunkte für die Zusammenarbeit und die Unterstützung der politischen Arbeit in Gambia zu den Themen Internet Governance ergeben, ergänzt Mbow. „Capacity Building“, die Weiterbildung und der Informationstransfers für die Parlamentarier in seinem Land, müssen dringend angekurbelt werden. Auch die Vereinten Nationen (UN) oder UN-Organisationen wie die ITU könnten hier einen Beitrag leisten.

Gerne würde Mbow künftig mit mehr Kollegen zum IGF reisen und er hofft, dass schon der Gastgeber Polen das Konzept des Parlamentarier Tracks weiter verstärkt – und vielleicht auch die deutsche Politik, durch großzügige Einladungen mehr Parlamentarier gerade auch aus den Ländern des Südens zum IGF holte. Aus Sicht von Mbow ist es auch ein Gewinn, wenn durch solche Maßnahmen auch Mitglieder von Oppositionsparteien teilnehmen können. Denn am Ende sei es in den Parlamenten, wo über die Governance des Netzes entschieden werde. Für die Zukunft brauche es zudem angesichts der Digitalisierung mehr Technik-affine Parlamentarier in Gambia und anderswo. „Ich will auch nicht immer der Hauptansprechpartner für alle Internetfragen für meine Kollegen bleiben.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Vladimer Svanadze

(Bild: Monika Ermert / heise online)

Seit 2011 ist der georgische Politologe unterwegs in Sachen Sicherheit und internationale Beziehungen im Netz, seit diesem Jahr hat Vladimer – Vlado – Svanadze seine eigene Beratungsfirma in Tbilisi, die Cyber Security Agency von Georgien. Trotz seines staatstragenden Namens ist es ein privates Unternehmen, vorerst mit sieben Mitarbeitern, sagt Svanadze stolz. „Alles junge Leute und eine gute Balance zwischen Männern und Frauen“. Svanadze war schon auf dem IGF in Genf 2017 und auf dem in Paris 2018. „Es ist eine wirklich gute Plattform, um Regierungen, Unternehmensvertreter und Wissenschaftler zu treffen. Ich komme hauptsächlich wegen des Networking und ich hoffe, ich kann ein paar Verträge von hier mitnehmen.“

Sein zentrales Beratungsthema ist die Sicherheit von Netzen und entsprechende Weiterbildung in Unternehmen und Behörden. Svanadze sieht in dem Bereich viel zu tun, in seinem eigenen Land, aber auch bei den Nachbarn in der Region. Georgien war unmittelbar vor dem IGF wieder einmal Ziel einer großangelegten Cyberattacke, nach Ansicht Svanadzes russischen Ursprungs. Bei der Attacke wurden etwa 15.000 Websites von Behörden, Banken, Gerichten sowie mehreren lokalen Medien mit dem Konterfei des Expräsidenten Micheil Saakaschwili verziert. Keine technisch ausgefeilte Attacke, sagt Svanadze, aber durchaus wirkungsvoll und ein Beleg, dass deutlich mehr getan werden muss im Bereich Sicherheit.

Die georgische Cybersecurity-Strategy wird gerade zum zweiten Mal überarbeitet und auch da mischt der Berater selbst mit, wie er sagt. Das Angebot zum Thema Netzsicherheit in den Schulen müsse verbessert werden. Das IGF in Berlin nutzt er zu vielen Gesprächen mit potenziellen Partnern und zur Entwicklung neuer Projekte. Eine Idee, die er im kommenden Jahr verfolgen will, ist ein regionales IGF, auf dem sich junge Leute aus Georgien, Moldawien und der Ukraine treffen können. Das nationale georgische IGF sei anfangs gut gewesen, trete aber aktuell etwas auf der Stelle mit immer den gleichen Teilnehmern und Themen. Ein regionales IGF könnte spannender sein. Viele der Nachbarstaaten blicken ebenso besorgt auf die Cyberangriffsstrategien in Russland. Auch sein eigenes Beratungs- und Fortbildungsangebot will er in die Region ausdehnen. Unter anderem hat er eine Dependance in Kasachstan auf seiner Agenda.

Trotz Svanadzes grundsätzlicher Begeisterung fürs IGF hat er auch Kritik. Zu wenig praktisch sind aus seiner Sicht viele der Paneldiskussionen. Über die kürzliche Attacke und mögliche Gegenmaßnahmen etwa wurde gar nicht gesprochen. Zwar wurde in einem der Panel zum Thema Cybersecurity, die er besucht hat, über die bessere Vernetzung von IGF mit anderen zum Thema arbeitenden Organisationen und Foren diskutiert, aber es fehle doch an Dingen, die er wieder direkt in seiner Arbeit verwenden kann.

Viele der beim IGF diskutierten hochtrabenden Dinge wie Künstliche Intelligenz gingen an den Grundproblemen kleiner und mittlerer Unternehmen vorbei, kritisierte auch die Berliner Ökonomin Heike Marita Hölzner. Besserer Netzzugang und ein Ausbau von Infrastrukturen sowie dezentrale Tools, die verhinderten, dass kleine Unternehmen auf riesige Provider wie Amazon angewiesen sind, seien von zentraler Bedeutung, befand eine von den deutschen Gastgebern erstmals angesetzte Debatte zwischen kleinen und mittleren Unternehmen aus verschiedenen Kontinenten. Um diesen Unternehmen bei den kommenden IGFs mehr zu bieten – und die IGFs nicht allein den großen IT-Plattformen zu überlassen – müssen Gastgeber in den kommenden Jahren wohl noch mehr tun. (tiw)