Entlassungen bei Intershop

Im Rahmen eines "globalen Restrukturierungsprogramms" trennt sich Intershop von rund 30 Prozent der Belegschaft in den USA.

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Im Rahmen eines "globalen Restrukturierungsprogramms" trennt sich Intershop von rund 30 Prozent der Belegschaft in den USA. Zu den schlechten Quartalszahlen, die der Hintergrund für die Kündigungen sind, ist außerdem noch eine Patentklage gekommen. Intershop zieht damit die ersten drastischen Konsequenzen aus den im vierten Quartal 2000 nicht erreichten Umsatzzahlen und dem dadurch ausgelösten Kurssturz, der den gesamten Neuen Markt in regelrechte Panik versetzte. Das 1992 in Jena gegründete E-Business-Unternehmen trennt sich in den USA von etwa 80 Mitarbeitern.

Anfang Januar hatte die Firma, deren Hauptsitz in San Francisco angesiedelt ist, noch gehofft, den Turnaround ohne Stellenstreichungen zu schaffen. Doch anscheinend hat der Druck von der Börse – nach dem der Kursverfall der Intershop-Aktie wollen Anleger in Deutschland erstmals gegen das vor kurzem noch als Vorzeigeunternehmen der New Economy gehandelte Softwarehaus klagen – das Management der Firma, die sich lange nicht von der Dot.Com-Krise betroffen fühlte, eines Besseren belehrt.

Stephan Schambach, der gerade einmal 30-jährige Vorstandsvorsitzender von Intershop, sieht die Entlassungen als eine erste Maßnahme, um die Effizienz der Firma "weltweit zu verbessern" und "möglichst schnell wieder profitabel zu werden". Zu dem "globalen Restrukturierungsprogramm", dessen Einzelheiten Intershop Ende Januar zusammen mit der Vorlage der endgültigen Umsatzzahlen für 2000 präsentieren will, gehört auch die Zusammenlegung weltweiter Aktivitäten. Intershop hatte in den vergangenen Jahren, beflügelt vom Rückenwind an der Börse, munter Büros in der ganzen Welt eröffnet, zuletzt Ende Oktober in Hongkong. Die Beschäftigungszahl des sich als "globalen Player" sehenden Unternehmens war auf rund 1.200 geklettert.

Der US-Markt war im vierten Quartal allerdings zum Problemkind für Intershop geworden. Zahlreiche unterschriftsreife Verträge seien dort in letzter Minute geplatzt, hatte Schambach in den vergangenen zwei Wochen mehrfach erklärt. Dabei hatte das in den USA nach wie vor unter Bekanntheitsproblemen leidende Unternehmen erst im Sommer eine teure Werbekampagne jenseits des Atlantiks gefahren. Trotzdem kündigte Schambach an, dass der amerikanische Markt "ein integraler Bestandteil unserer globalen Wachstumsstrategie" bleibe. Die mit den Entlassungen eingeleitete Reorganisation solle es nun ermöglichen, "uns dort noch stärker auf den Vertrieb im Enterprise-Markt zu konzentrieren, eine bessere Durchdringung in unseren Schlüsselmärkten zu erreichen und unser Netzwerk von strategischen Partnern auszubauen."

Die Entwicklungsabteilung Intershops in Jena wird vorerst nicht vom Stellenabbau betroffen sein. Schambach bekundete in den vergangenen Tagen mehrfach, dass das Europa-Geschäft der Firma nicht nachgelassen habe und weiter stark wachse. Im Headquarter nahe der Market Street in San Francisco dürfte dagegen bald reichlich Platz für die verbleibenden Angestellten sein: Die 80 gestrichenen Stellen entsprechen immerhin 30 Prozent der US-Belegschaft.

Intershop reiht sich mit der Entscheidung ein in eine Reihe von Entlassungen bei amerikanischen Firmen in der Dot.Com- beziehungsweise Computerindustrie. Allein bei Gateway werden 3000 Mitarbeiter arbeitslos, das entspricht allerdings "nur" zehn Prozent des Personalbestandes des PC-Herstellers in den USA.

Weiteres Ungemach droht Intershop derweil vom Konkurrenten Open Market, der die schlechte Lage der Konkurrenz aus Deutschland zum Anlass für eine Patentklage nahm. Drei Softwarepatente aus den Jahren 1994 bis 1997 soll Intershop verletzt haben, bei denen es vor allem um ein "Netzwerk-basiertes Verkaufssystem" geht. Theoretisch wäre davon vermutlich jeder Anbieter von E-Commerce-Lösungen betroffen, doch Intershop scheint Open Market momentan die größte Angriffsfläche zu bieten. (Stefan Krempl) / (jk)