Fotonews der Woche 52/2024

Trotz halluzinierter Bilder erfreut sich echte Fotografie großer Beliebtheit, neue und alte Nischen gewannen Zuspruch – Rückblick auf ein Jahr der Evolution.

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Nur schnelle Prozessoren, Busse und Speicher in Kameras machen Konstruktionen wie Canons Augen-Autofokus der R5 II möglich.

(Bild: Canon)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Zum Schluss des Jahres 2024 blickt unsere Kolumne ein bisschen zurück auf das, was die Marketing-Strategen der Fotobranche so gern "Mega-Trends" nennen. Also das, was sich mit den immer gleichen Buzzwords vermeintlich besonders gut verkaufen lässt. Wie in jedem Bereich der Technik ist das zwei Jahre nach der breiten Verfügbarkeit von ChatGPT natürlich alles, was sich mit "Künstlicher Intelligenz" beschreiben lässt. Auch bei Kameras und Software.

Was früher einmal die "Motiverkennung" war, ist nun landläufig der "KI-Autofokus", auch wenn die Statistikfunktionen dahinter im Prinzip gleich sind. Das, was die Kompaktkameras der 2000er-Jahre da schon beherrschten, ist jedoch mit dem, was moderne Kameras leisten, nicht ganz vergleichbar. Die können nämlich nicht nur grob erkennen, ob da ein Mensch oder Tier im Fokus ist, sondern dieses Motiv dann auch verfolgen.

Wenn man das clever mit einer anderen Bedienung kombiniert, wie einem Augen-Autofokus beim Blick auf Bildinhalte im Sucher, ergibt sich ein ganz anderes Arbeiten. Canon hat das bei der R5 II auf neue Weise umgesetzt. Es ist zu erwarten, dass aus dem, was die Kameras hier bei Prozessorleistung und Software schon können, noch mehr solche Konzepte folgen. Überhaupt, Software: Während Nikon seine Z-Serie mit schnellen und umfangreichen Updates teilweise auf den Kopf stellte – die Z8 konnte zeitweise mehr als die Z9 – fiel Sony durch einige vermurkste Updates auf. Anders, als bei Sicherheitsupdates für PC oder Smartphone ist eine Lehre aus 2024 also: Lieber ein paar Tage oder Wochen warten, wenn man seine Kamera nicht plötzlich funktionslos sehen will.

Ein weniger bemerkter Trend war 2024 der zu einer Umsetzung des Plattformgedankens auch bei Kameras. Was bei PCs und im Automobilbau schon seit Jahrzehnten etablierte Praxis ist, setzen nun auch die Kamerahersteller um: Gleiche Prozessoren dienen für verschiedene Anwendungen, oder dasselbe Gehäuse für verschiedene Kameras. Ersteres ist bei den neuen Nikons wie der Z50 II zu sehen, wo die 1000-Euro-Kamera den Prozessor des 5000-Euro-Flaggschiffs hat. Und die beiden Topmodelle von Sony, A9 III und Alpha 1 II, teilen sich gleich das Gehäuse, von ein paar Bedienelementen abgesehen.

Das ist natürlich vor allem gut für die Hersteller, die sich Entwicklungs- und Produktionskosten ersparen. Vor allem durch die hohe Rechenleistung auch in günstigen Kameras kann man aber zumindest darauf hoffen, dass neue Funktionen wie die interne Bildbearbeitung oder auch neue Speicherkarten sich durch Updates künftig ausreizen lassen. Aber, wie hier schon einmal beschrieben: Das ist nur Hoffnung. Man sollte eine Kamera auf Grundlage ihrer Fähigkeiten zum Kaufzeitpunkt bewerten – und nicht zu sehr den Versprechen von künftigen Updates glauben. Manche, beispielsweise Pentax und Sony, bieten auch Spezialfunktionen schon gegen Gebühr für ein Update ein – das ist der Kehrseite der Medaille der Flexibilität moderner Kameras.

Zwei andere Trends der letzten Jahre haben sich auch 2024 verfestigt und sind Modeerscheinung mehr. Zum einen der Spaß am Sofortbild, der nicht mehr nur auf Instax-Knipserei beschränkt ist. Da diese Filme anhaltend und bezahlbar verfügbar sind, wollen auch andere mit dem etablierten Format Punkten. Lomography will nicht weniger als "die beste Instant-Kamera der Welt" entwickelt haben, und das nur, weil sie auch eine Linse aus Glas und nicht Kunststoff besitzt.

Gleich eine komplette Neuentwicklung ist die Pentax 17, von nun ja: Pentax. Sie heißt so, weil sie auf einem Frame eines 35-Millimeter-Films kein Kleinbild, sondern zwei Halbbilder unterbringt – also 17 Millimeter breite Hochkantfotos. Man kann das als klassischer Fotograf blöd finden, aber Tatsache ist nun mal, dass das Hochformat bei jungen Menschen das Seitenverhältnis der Zeit ist. Also ist es nur folgerichtig, dass auch Pentax sich so entschieden hat. Die Kamera sorgte, auch durch ihren Preis von 550 Euro, für einige Diskussionen und ist durch die mutige Neuentwicklung der beste Beweis, dass analoges Fotografieren nicht mehr nur ein Trend, sondern eine fest etablierte Nische ist.

Das gilt auch für eine spezielle Art von so genannten Hybridkameras. Schon dieser Begriff ist sperrig, denn er meint Geräte, die fürs Fotografieren wie Filmen taugen sollen, und das kann inzwischen jede moderne Kamera. Es gibt jedoch unter den Hybriden eine neue Kategorie, die vorwiegend für Filmen gedacht ist, nennen wir sie Creator-Kameras. Die sind schon lange nicht mehr so günstig wie noch vor einigen Jahren, Panasonic ruft bei seiner Lumix S9 ganze 1700 Euro nur für den Body auf. Dafür gibt es dann Filmen mit Open Gate, also dem ganzen Sensor, und LUTs für einen einfach zu erzielenden Bild-Look.

Das alles ist ein Teil der Professionalisierung, die sich quer durch die populären Video-Plattformen wie TikTok und YouTube zeigt: Die Ansprüche werden immer höher, selbst Einsteiger trauen sich ohne perfekte LED-Beleuchtung und rauschfreies 4K-Video kaum noch vor die Kamera. Auch diesen Trend kann man zwar beklagen, aber er scheint nicht mehr umkehrbar. Wer dann Erfolg hat und die Creatorei zum Hauptberuf machen kann, ist schnell bei Studio-Setups mit mehreren synchronisierten Kameras und Mitarbeitern für den Schnitt angelangt. Denn auch, wenn das nicht immer zugegeben wird: Auch hinter den nur etwas größeren Creators stehen oft ganze Teams aus Technik, Redaktion und Marketing.

Den Long Read für die Feiertage müssen wir vorerst schuldig bleiben, ebenso einen genaueren Blick auf einzelne Kameras – denn der erscheint am Freitag, dem 27. 12. 2024. Den Link tragen wir dann auch hier nach. Die nächste Ausgabe der Fotonews erscheint am Freitag, den 10. Januar 2025, dann auch sicher schon mit einigen Neuigkeiten von der CES, die in derselben Woche in Las Vegas startet. Bis dahin bleibt mir nur, fürs fleißige Lesen und Kommentieren zu danken und schöne Feiertage sowie einen guten Start ins nächste Jahr zu wünschen.

(nie)