Ex-Vorstand von Phenomedia gibt Fehler zu

"Was da passiert ist, hatte mit normalen Welten nichts zu tun. Es war völlig verrückt, vielleicht sogar krank", kommentiert der Ex-Vorstand der für das Moorhuhn-Computerspiel bekannten Firma heute die Vorgänge am Neuen Markt.

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Von
  • Jörn Hartwig
  • dpa

Sie galten als die Lieblinge des neuen Marktes. Als die Phenomedia AG im November 1999 an die Börse ging, wurden die Manager zum Inbegriff der erfolgreichen Jung-Unternehmer. Dreieinhalb Jahre später war der Zauber verflogen. Seit Dienstag stehen die Macher des populären Moorhuhn-Computerspiels in Bochum vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die sechs Angeklagten rund 15 Millionen Euro in die Bilanzen der Phenomedia eingebaut und den Kurs der Aktie damit auf verbotene Weise in die Höhe getrieben haben.

Zum Auftakt des Prozesses vor der 6. Strafkammer des Bochumer Landgerichts hat Markus Scheer, Ex-Vorstandsvorsitzender der Phenomedia, bereits Fehler zugegeben. Am Rande des Verfahrens machte er dafür aber auch die Dynamik am Neuen Markt verantwortlich. Wörtlich sagte der 35-jährige Bochumer: "Was da passiert ist, hatte mit normalen Welten nichts zu tun. Es war völlig verrückt, vielleicht sogar krank." Schubkarrenweise hätten die Banken damals Geld in sein Unternehmen gekarrt. Man habe sich groß gefühlt, aber schlecht beraten lassen. Auf ihre Frage, ob ein börsennotiertes Unternehmen nicht ein Senior-Management brauche, hätten ihnen die Kredit-Institute folgenden Ratschlag gegeben: "Holen sie sich ja keine alten Säcke an Bord, der Neue Markt will junge Köpfe sehen." Und genau das hätte man dann auch befolgt. Was nach Scheers Meinung rückblickend ein großer Fehler war.

Insgesamt hat die Bochumer Staatsanwaltschaft drei Ex-Vorstände, eine Buchhalterin und zwei Manager von Tochter-Unternehmen der Phenomedia AG angeklagt. Sie alle sollen dazu beigetragen haben, Anleger und Geschäftspartner mit falschen Meldungen und Jahresabschlüssen zu täuschen. In einer am 20. März 2001 veröffentlichen ad-hoc-Mitteilung hieß es zum Beispiel: "Phenomedia AG gibt Rekordergebnis im Jahresabschluss 2000 bekannt -- Umsatz wächst um 236 Prozent auf 31,9 Millionen DM." Laut Anklage hätte damals allerdings ein Verlust von 8,3 Millionen DM publiziert werden müssen. Der Preis der Aktie war am Tag der Veröffentlichung um 6,5 Prozent gestiegen.

Um die Bilanzfälschung zu verdecken sollen sich die Angeklagten zwischen 1998 und 2002 ein raffiniertes System aus Scheinrechnungen und Luftbuchungen aufgebaut haben. Auch von Urkundenfälschung ist die Rede. Außerdem wird fünf der sechs Angeklagten vorgeworfen, sich durch verbotene Insidergeschäfte persönlich bereichert zu haben. Im Fall von Markus Scheer geht die Staatsanwaltschaft von rund 7,4 Millionen Euro Erlös aus gezielten Aktienverkäufen aus. Genau das wird von dem 35-Jährigen allerdings vehement bestritten. Wie er auf dem Gerichtsflur erklärte, besitze er heute sogar 25 000 Aktien mehr als zum Börsenstart.

Die Phenomedia-Aktien waren im November 1999 mit einem Wert von 22,90 Euro an der Börse gestartet. Der höchste Wert wurde mit rund 90 Euro erreicht. Beim Börsencrash im Mai 2002 fielen sie auf 85 Cent. Heute gelten sie als praktisch wertlos.

Markus Scheer, der vor Gericht mit Anzug und Krawatte erschien, galt jahrelang als Computerfreak. Angeblich soll er schon mit den ersten erschwinglichen Heimcomputern damit begonnen haben, Spiele zu programmieren. "Er hat mit dem berühmten C64 angefangen und sich alles selbst beigebracht", sagte sein Verteidiger Martin Meinberg aus Gelsenkirchen. Der Börsengang sei dann einfach eine Nummer zu groß gewesen. "Hier stehen überforderte junge Leute vor Gericht", sagte Meinberg. Nach dem Absturz des "Moorhuhns" wurde das Kerngeschäft an ein deutsch-niederländisches Konsortium verkauft. Inzwischen soll das Bochumer Softwarehaus, das unter dem Namen "phenomedia publishing GmbH" firmiert, wieder schwarze Zahlen schreiben. Die aktuellen Spiele heißen Moorhuhn Wanted, Sven 004, Larry und 7 Zwerge. (Jörn Hartwig, dpa) / (jk)