Der Moorhuhn-Bilanzskandal geht ins zweite Jahr
Vor einem Jahr stürzte das Moorhuhn ab: Bei der Bochumer Softwarefirma Phenomedia, die das populäre Jagdspiel auf den Markt brachte, flogen Luftbuchungen in Millionenhöhe auf.
Vor einem Jahr stürzte das Moorhuhn ab: Bei der Bochumer Softwarefirma Phenomedia, die das populäre Jagdspiel auf den Markt brachte, flogen Luftbuchungen in Millionenhöhe auf. Seither beschäftigen sich Staatsanwälte und Börsenkontrolleure mit dem Fall. Sonderprüfungen brachten zu Tage, dass nicht nur die Bilanz 2002 (tatsächlicher Umsatz: knapp 17 Millionen Euro) um rund zehn Millionen Euro geschönt wurde. Schon der Abschluss 1999 der damals noch jungen Firma war um eine Million Euro nachgebessert worden.
Der einstige Börsenliebling Phenomedia reihte sich damit in die Serie von Bilanzskandalen am Neuen Markt ein. Den Vogel schoss dort allerdings der Telematik-Entwickler ComROAD ab, bei dem fast der gesamte Umsatz über mehrere Jahre gefälscht war. Bei Phenomedia sehen die Ermittler durchaus auch Parallelen zum Fall EM.TV gegeben, der jetzt mit der Verurteilung der Haffa-Brüder seinen Höhepunkt erlebte. Bei beiden Unternehmen sei versucht worden, die Geschäfte in einem besseren Licht darstehen zu lassen, als sie in Wirklichkeit liefen. Beide Medienunternehmen zählten zu den Stars am Neuen Markt, deren Aktienkurse in besten Zeiten Höhenflüge erlebten.
Am 14. April 2002 erlebten Phenomedia-Aktionäre einen Tiefschlag. Der Aufsichtsrat setzte Vorstandschef Markus Scheer und Finanzvorstand Björn Denhard nach dem Eingeständnis von Manipulationen vor die Tür. Der Aktienkurs rutschte in den Keller. Scheer und Denhard stehen im Mittelpunkt der Ermittlungen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht inzwischen den Verdacht des Insiderhandels erhärtet. "Da prüfen wir aber noch", sagt der Sprecher der Bochumer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, Bernd Bienioßek. "Wir warten auch noch auf den Abschlussbericht von BaFin."
So viel steht aber wohl fest: Verdächtig große Aktienpakete waren zeitweise auf den Markt geworfen worden. Die beiden Ex-Vorstände selbst hätten nicht gehandelt, meint Bienioßek. "Aber wir ermitteln noch im Umfeld der Vorstände." Scheer und Denhard bestreiten bis heute, sich persönlich durch ihr Handeln bereichert zu haben. Bei der Staatsanwaltschaft ist noch ein ganz anderer Verdacht aufgetaucht. "Es hat Hinweise gegeben, dass sich Vorstandsmitglieder der Untreue schuldig gemacht haben könnten", sagt Bienioßek. Am Aufsichtsrat vorbei sollen Beteiligungen ohne ausreichende Sicherheiten eingegangen worden sein. Ob das nur zum Wohl der Firma geschehen sei, oder ob später auch die Drahtzieher persönlich profitieren wollten, lasse sich derzeit nicht sagen.
Ungerührt der juristischen Aufarbeitung flattert unterdessen das Moorhuhn weiter über die Bildschirme virtueller Jäger. Im Herbst hatten die Gläubiger, vor allem Banken, grünes Licht für die Fortführung der Phenomedia unter Leitung von Insolvenzverwalter Wulf-Gerd Joneleit gegeben. Jetzt werden wieder vornehmlich nur Computerspiele entwickelt. Es kamen sogar neue Variationen wie der Moorhuhn Kart Racer oder Teil zwei des Spiels mit dem virtuellen Schaf Sven Baumwolle auf den Markt. (Wolfgang Dahlmann, dpa) / (jk)