"Fit for 55": Bundesrat macht beim EU-Klimapaket Dampf

Die Bundesregierung soll die EU-Initiative, den CO₂-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent drücken, ehrgeizig und sozial ausgeglichen verhandeln sowie rasch umsetzen.

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(Bild: PHOTOCREO Michal Bednarek/Shutterstock.com)

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Der Bundesrat begrüßt angesichts der "weltweit immer deutlicher werdenden Klimakrise" prinzipiell den Entwurf der EU-Kommission für das umfassende Gesetzespaket "Fit for 55". Er sieht darin "wichtige Weichenstellungen, Zielsetzungen und neuen Fördermöglichkeiten für den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft" enthalten. Werde das Vorhaben konsequent verfolgt, könne Europa den Weg zur Klimaneutralität einschlagen.

Laut dem Green Deal der EU sollen die durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 netto auf null sinken. Um dorthin zu kommen, hat die Kommission ein gutes Dutzend Gesetzesinitiativen vorgeschlagen. Es geht etwa darum, den bestehenden EU-Emissionshandelssystems zu verschärfen, den Ansatz auf Verkehr und Gebäude auszuweiten, strengere CO₂-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge festzulegen sowie die Ladeinfrastruktur für Elektroautos und Wasserstoffahrzeuge auszubauen.

Die Länderkammer bittet die Bundesregierung nun mit einer am Freitag angenommenen Stellungnahme, das Paket aktiv zu unterstützen. Dabei soll sie sich "für eine ehrgeizige und sozial ausgeglichene Ausverhandlung und schnelle Umsetzung" einsetzen. Die Maßnahmen rund um das Klimaziel 2030, wonach der CO₂-Ausstoß bis dahin um 55 Prozent sinken soll, müssten "weitgehend und wirkungsvoll ausgestaltet werden". Ein späteres Nachsteuern wäre "nur noch unter unverhältnismäßigen Einschränkungen möglich".

Dabei erkennt der Bundesrat an, dass die Kommission etwa auch einen neuen CO₂-Preis vorsieht. Er soll dafür sorgen, dass die Klimapolitik in Europa nicht zu einer Verlagerung von CO₂-Emissionen in andere Länder führt. Vergangene Woche betrug der Preis für eine Tonne CO₂ im bestehenden europäischen System erstmals über 90 Euro, was bei Beobachtern Spekulationsverdacht auslöste. Die Länder befürchten, dass das vorgeschlagene CO₂-Grenzausgleichssystem und weitere geplante Vorschriften "mit einem hohen bürokratischen Aufwand für zahlreiche Unternehmen in Europa verbunden sind". Vor allem der Mittelstand müsse entlastet werden.

Mit dem Paket würden zentrale Bausteine für eine sozial-ökologische Transformation hin zur Klimaneutralität der EU vorgelegt, lobt das Gremium aber auch. Es verweist etwa auf angehobene Ziele für die erneuerbaren Energien. Deren Anteil am europäischen Strom-Mix soll von derzeit 20 auf 40 Prozent verdoppelt werden.

Der dadurch nötige Transformationsprozess werde Wirtschaft und Gesellschaft "vor enorme Herausforderungen stellen", heißt es in der Eingabe. Der Bundesrat sieht es so als zentral an, "das Paket angemessen zwischen Ländern und Regionen, allen Wirtschafts- und Lebensbereichen sowie in seinen sozialen Wirkungen und den Folgen für die industrielle und technologische Leistungsfähigkeit Europas in der Zukunft auszubalancieren".

Die Kammer betont, dass die "erheblichen finanziellen Anstrengungen und strukturellen Reformen, die für ein erfolgreiches Umsteuern in Richtung der Klimaneutralität erforderlich sind, ohne Verzögerungen und entschlossen eingeleitet werden müssen". Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten dabei unter anderem Umwelt- und Klimaziele sowie ökonomische Vorhaben wie die Stärkung der EU als klimafreundlicher Industriestandort erreicht werden. Entscheidend für die Akzeptanz der Maßnahmen sei auch deren sozialverträgliche Ausgestaltung mit einem Fonds.

Dazu kommt die Bitte an die Bundesregierung, sich bei der Kommission für das Aus der Nutzung "klimaschädlicher Energieträger aus fossilen Quellen" einzusetzen und gleichzeitig den Einsatz klimaneutraler Alternativen zu ermöglichen. Dabei soll der Fokus auf Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung gelegt werden. Der Bundesrat spricht sich ferner für "weitgefasste Energieeffizienzbetrachtungen" aus. Vor allem das Recyceln ausgedienter Energiespeicher sei wichtig, um die darin enthaltenen Metalle und seltenen Erden in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Schritte zum Senken der CO₂-Emissionen im Verkehrsbereich tragen die Länder mit. Von 2035 sollen demnach nur noch zu 100 Prozent emissionsfreie Autos zugelassen werden. Voraussetzung dafür sei aber "der flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen". Für eine klimaneutrale Mobilität sei die Wende hin zu alternativen Antrieben und erneuerbaren, klimafreundlichen Kraftstoffen unabdingbar. Transportkapazitäten müssten von der Straße auf die Schiene verlagert und dafür zeitnah die Infrastruktur ausgebaut und digitalisiert werden.

Wasserstoff und wasserstoffbasierte Folgeprodukte wie synthetisch erzeugte gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffe als Energieträger und Grundstoffe könnten laut der Stellungnahme "bei entsprechender Regulierung und Anerkennung als klimaneutrale Produkte in verschiedenen Sektoren wie Industrie, Verkehr und Gebäude zur Anwendung kommen". Der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft fungiere auch als Hebel für den "dringend erforderlichen" weiteren Ausbau der Erneuerbaren.

(mho)