Flugdaten: EU-Rat drängt Parlament zur Eile

Das Europaparlament soll spätestens innerhalb der nächsten zwei Wochen seine Meinung zum Versand von Passagierdaten in die USA abgeben.

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Im Streit um die Übertragung eines ganzen Katalogs von Passagierdaten aus Europa an die USA hat der Rat der Europäischen Union in der Folge der Anschläge von Madrid plötzlich Eile. Das Europaparlament soll seine Meinung zu der Datenübertragung daher spätestens bis zum 19. April abliefern, heißt es in einem Schreiben des Gremiums der Mitgliedstaaten. In der Mitteilung, die heise online vorliegt, begründet der Rat sein Anliegen mit der höchsten Priorität, die in Brüssel der Terrorismusbekämpfung eingeräumt wird. In diesem Zuge haben der Rat und die Kommission inzwischen auch ein eigenständiges Interesse an den Flugdaten angemeldet.

Der "Zustand der Ungewissheit", in dem sich die Fluglinien und die Passagiere momentan befänden, müsse rasch korrigiert werden, meint der Rat. Er hat daher ein Dringlichkeitsverfahren nach Artikel 112 des parlamentarischen Arbeitsplans eingeleitet. Sonst könne die Entscheidung bis in die nächste Legislaturperiode hinein verzögert werden. Schon jetzt befinden sich die meisten Europa-Abgeordneten im Wahlkampf, sodass ihnen die neue Frist überaus ungelegen kommen dürfte.

Druck kommt auch von der International Air Transport Association (IATA) und ihrem US-amerikanischen Pendant: Die Fluglinien-Vertreter gehen davon aus, dass das gegen die bisherige Haltung des Parlaments getroffene Abkommen der EU-Kommission mit den USA noch in dieser Woche behandelt wird. In einem Brief an Abgeordnete loben sie zwar die Bemühungen, einen Ausgleich zwischen den Datenschutzrichtlinien der EU und den Anforderungen der USA zu finden. Gleichzeitig wollen sie bei einem ablehnenden Votum des Parlaments aber nicht wieder in den Verhandlungen um ein Jahr zurückgeworfen werden.

Ein wirkliches Mitspracherecht hat das Parlament in der Flugdatenaffäre allerdings ohnehin nicht: Die Kommission behandelt die Wünsche der USA zur computergestützten Durchleuchtung der Passagiere als rechtliches Erfordernis auf Basis eines so genannten zwischenstaatlichen Light Agreement. Die Meinung der Volksvertreter wird so zwar formal gehört, die letzte Entscheidungsmacht liegt allerdings beim Rat. Stimmt er wie erwartet dem Beschluss der Kommission zu, müssen die Mitgliedsstaaten das Gesetz nicht einmal ratifizieren, es ist verbindlich für sie.

Der brandenburgische Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix hält dieses Verfahren für den eigentlichen "Skandal" der transatlantischen Verhandlungen rund um die Datenanforderungen. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält es für zweifelhaft, ob die von den USA angestrebte Speicherung und Auswertung der personenbezogenen Daten bis hin zur Speisewahl überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist. Am morgigen Dienstag wird sich angesichts der massiven Kritik auch der Innenausschuss des Bundestags mit der Datenaffäre beschäftigen. Dabei soll auch geklärt werden, ob Bundesinnenminister Otto Schily im Vorgriff auf die Brüsseler Entscheidung bereits ein eigenes Abkommen mit Washington zum erweiterten Datenaustausch geschlossen hat. (Stefan Krempl) / (anw)