GEMA: Merkel soll nicht nur in China fürs geistige Eigentum kämpfen

Im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung fordert die Verwertungsgesellschaft die Bundeskanzlerin und den Bundestag auf, die "urheberfeindlichen Regelungen" im 2. Korb der Urheberrechtsnovelle zu revidieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 202 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Die GEMA hat im Rahmen ihrer Jahresversammlung Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat aufgefordert, "durch gesetzliche Regelungen auch künftig die schöpferischen Menschen als Garanten der kulturellen Vielfalt in Deutschland zu schützen und nicht ihre Existenzgrundlage zu gefährden." Mit dem heftig umstrittenen Entwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform gefährde die Bundesregierung den Anspruch der Urheber auf angemessene Vergütung der privaten Vervielfältigung. Die vorgesehenen Regelungen würden laut der Verwertungsgesellschaft zu massiven Einkommenseinbußen der kreativen Musikautoren führen. Allein bei den Vergütungen im Bereich Kopiergeräte, also den Urheberrechtsabgaben auf DVD- und CD-Brenner oder Bildaufzeichnungsgeräte, sei ein Rückgang von 54,3 Millionen Euro beziehungsweise 58 Prozent zu erwarten.

Die Mitglieder der GEMA wollen auf ihrer Versammlung an den beiden kommenden Tagen in Berlin eine gemeinsame Resolution gegen die besonders umkämpften Regierungspläne zur Neufassung der Vergütungspauschale fassen. "Die Interessen der Industrie an der Erzielung wirtschaftlicher Gewinne dürfen nicht höher bewertet werden als der berechtigte Anspruch der Urheber auf angemessene Vergütung", heißt es in dem Papier. Die Geräteimporteure und -fabrikanten werfen den Urheberverbänden dagegen vor, "irreführende" Angaben zu machen und das künftige Aufkommen für die Urheberabgabe falsch zu berechnen. Zwischen den Zahlen der Verwertungsgesellschaften und Industrievereinigungen gibt es im langfristigen Ausblick Abweichungen in Höhe Hunderter von Millionen, was Bundestagspolitiker bereits mit irritierten Äußerungen über die Qualität der Lobby-Arbeit beider Seiten quittiert haben.

Die GEMA konnte auch gegen negative Trends im Musikgeschäft 2005 gute wirtschaftliche Ergebnisse erzielen. Ihr in der Jahresbilanz ausgewiesener Gesamtertrag von 852 Millionen Euro für Rechteinhaber aus aller Welt stellt laut Jürgen Becker, Sprecher des Vorstands der Verwertungsgesellschaft, indes nur eine Seite der Situation der Musikurheber in Deutschland dar. Ihm zufolge ist "die Schere zwischen omnipräsentem Musikkonsum und geringer Einkommensentwicklung für Autoren auch im vergangenen Jahr immer weiter auseinander gegangen". Dies liege vor allem an der mangelnden Bereitschaft der Lizenznehmer im wachsenden Online-Musikgeschäft, überhaupt Ansprüche der Rechteinhaber auf eine angemessene Vergütung anzuerkennen.

Becker will sich auf der Mitgliederversammlung vor allem direkt an die Kanzlerin wenden, die sich bei ihrer jüngsten Reise nach Fernost dort für einen bessere Bekämpfung der Produktpiraterie und eine höhere Akzeptanz gewerblicher Schutzrechte aussprach: "Lassen Sie Ihrem beherzten Eintreten für den Schutz des geistigen Eigentums in China Taten in Deutschland folgen!", appelliert das GEMA-Vorstandsmitglied an Merkel. "Wer in China die Bedeutung des geistigen Eigentums anmahnt, muss im eigenen Land mit gutem Beispiel vorangehen. Beseitigen Sie deshalb das den Urhebern drohende Unrecht."

Die Bundesregierung hält trotz zunehmender Proteste von allen Seiten an ihrem Kurs fest und hat ihren Entwurf erst jüngst gegen lautstarke Kritik aus dem Bundesrat verteidigt. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag soll sich nun das Parlament erstmals im Rahmen der 1. Lesung des so genannten 2. Korbs der Urheberrechtsnovelle beschäftigen. Die "Aussprache" ist allerdings angesichts des Termindrucks im Bundestag vor der Sommerpause für etwa drei Uhr morgens angesetzt, sodass die geplanten Reden vermutlich nur schriftlich zu Protokoll gegeben werden und eine tatsächliche Aussprache über die zahlreichen Reizthemen der Reform nicht erfolgen dürfte. Die wollen die Abgeordneten später in den Fachausschüssen nachholen, in welche der Regierungsentwurf zunächst verwiesen werden soll.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat derweil an Mitglieder eine E-Mail verschickt, damit die nächtliche Lesung im Trubel der noch verbleibenden Sitzungswochen des Bundestags nicht untergeht. So sollen die Gewerkschaftler ihre Volksvertreter darauf hinweisen, dass ein für Autoren und Künstler "sehr wichtiges Gesetz beraten wird". Noch nie habe es ein Gesetz gegeben, mit dem Vergütungsansprüche "so massiv gekürzt wurden, wie das jetzt bei der Privatkopie geplant ist", warnt ver.di. Der Entwurf sehe ferner vor, Urhebern über 40 Jahre rückwirkend Rechte zu entziehen durch Freistellungen für die so genannten unbekannten Nutzungsarten. Für ausführliche Informationen "über alle geplanten Verschlechterungen und den Text des Gesetzentwurfs" verweist die Gewerkschaft auf eine Aktionsseite der "Initiative Urheberrecht".

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)