GEMA beklagt Einnahmerückgang im Online-Geschäft

Die Musikverwertungsgesellschaft kann mit knapp 753 Millionen Euro mehr als je zuvor an ihre Urheberklientel ausschütten, ihre Erträge im Bereich Downloads und Ruftonmelodien schrumpften aber wegen Rechtsstreitigkeiten.

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Die GEMA kann in diesem Jahr mit knapp 753 Millionen Euro Einnahmen aus dem Jahr 2006 mehr Geld als je zuvor an ihre Urheberklientel ausschütten. Die Gesamterträge der Musikverwertungsgesellschaft für das vergangene Geschäftsjahr liegen bei 874,4 Millionen Euro und damit 22,2 Millionen oder 2,60 Prozent über dem Vorjahr. Gleichzeitig konnte die GEMA ihren Kostensatz mit 13,9 Prozent unter die 14,1 Prozent im Jahr 2005 drücken. Aufgrund dieser positiven Entwicklungen erhöht sich die Verteilungssumme um 20,8 Millionen Euro oder 2,84 Prozent auf den bisher höchsten Stand in der über hundertjährigen Geschichte der Vertretung von Komponisten und Musikautoren.

Trotz des Rekordergebnisses bezeichnete der GEMA-Vorstandsvorsitzende Harald Heker das vergangene Jahr bei der Vorstellung der Bilanz am heutigen Dienstag im neuen Berliner Verbindungsbüro der Verwertungsgesellschaft nur als "zufriedenstellend". Sein größtes Sorgenkind ist der eigentlich boomende Online-Bereich. Heker verwies hier mit "gesteigerter Sorge" darauf, dass die "Schere zwischen omnipräsentem Musikkonsum" insbesondere durch die Internetnutzung "und geringer Einkommensentwicklung für die Musikautoren" auch im vergangenen Jahr weiter auseinander gegangen sei.

Dem GEMA-Chef zufolge nehmen die Musikautoren am "prosperierenden Geschäft der Musikdistribution im Internet" bislang nicht in angemessener Weise teil. So hätten sich im Bereich Musikdownloads und Ruftonmelodien die Erträge der GEMA von 5,5 Millionen Euro in 2005 auf 3,5 Millionen in 2006 verringert. Die Ursachen liegen laut GEMA unter anderem in andauernden Auseinandersetzungen mit Online-Anbietern und ihren Lobby-Vertretungen wie dem Branchenverband Bitkom. "Seit mehr als sechs Jahren streiten wir uns um die angemessene Vergütung", beklagte Heker. Deswegen seien momentan 8,8 Millionen Euro auf Sperrkonten für Music on Demand und Klingeltöne hinterlegt.

"Die Zahlen sind zum Weinen", ergänzte GEMA-Vorstandssprecher Jürgen Becker. "Wir haben eine Entscheidung der Schiedsstelle zum Klingeltonbereich bekommen, zu der die Gegenseite keinen Widerspruch erhoben hat", führte er aus. Das Geschäft mit Ruftönen sei aber "bereits ein absterbender Bereich", der Download-Sektor attraktiver. Hier habe die Schiedsstelle eine Minimalvergütung in Höhe von 10 Cent pro Download festgelegt, mit der die GEMA hätte leben können. Die auf knapp neun Prozent angesetzte Prozentvergütung sei aber bei beiden Seiten durchgefallen. Die nun anhängige gerichtliche Klärung gehe bis zum Bundesgerichtshof, vermutet Becker. Bis dahin gebe es das legale Download-Geschaft aber vielleicht gar nicht mehr, fügte er leicht sarkastisch an. Dann würde Musik "nur noch durch Rapidshare verwaltet".

Becker gab mit der Erwähnung des Dateitauschdienstes das Stichwort für den zweiten Grund, an denen die GEMA den Umsatzrückgang im Internetgeschäft ausmacht. Heker sprach vom "weiteren traurigen Kapitel der Internetpiraterie", wo ebenfalls jahrelange Verhandlungen mit einschlägigen Betreibern von Netzplattformen zum Tauschen oder Verramschen von Musik gescheitert seien. Obwohl "Sharehoster und Access-Provider natürlich verantwortlich sind für die Inhalte, die über sie ausgetauscht werden, haben sie jede Art von Vertragsschluss verweigert", empörte sich der GEMA-Chef. Als Teilerfolg wertete er es deshalb, dass alle erwirkten einstweiligen Verfügungen gegen RapidShare, UseNeXT und MP3flat.com inzwischen gerichtlich bestätigt seien.

Heker hofft nun, dass die Firmen an den Verhandlungstisch zurückkehren. Dass die Schweizer RapidShare AG ihrerseits Klage gegen die GEMA eingereicht habe, könne seinen Haus "nur recht sein." Damit könne die Haftungsfrage von Host-Providern "unter einer anderen Blickrichtung" geklärt werden. "Ich bin optimistisch, dass wir das bestehen und eine Zahlungserfordernis festgestellt wird", sagte Heker. Für Becker steht letztlich die Frage im Vordergrund: "Was können wir von den dort generierten Einnahmen verlangen?" Erzielt würden Werbeeinnahmen, an denen die GEMA wie beim Rundfunk beteiligt werden wolle.

Beim Radio und Fernsehen konnte Heker auf einen Lichtblick verweisen, da sich dort der Werbemarkt erholt habe. Der Gesamtertrag in diesem Bereich ist 2006 gegenüber dem Vorjahr von 233 Millionen Euro um 3,6 Prozent auf 241,5 Millionen Euro angestiegen. Nach oben zeigt die Bilanz auch im traditionellen Bereich der Verwertung von öffentlich gespielten Liedguts. Dort konnten im Geschäftsjahr 2006 vor allem in den Sparten Unterhaltungsmusik mit insgesamt 65,9 Millionen Euro, Wiedergabe von Tonträgern und Rundfunksendungen mit 94,6 Millionen Euro und der Wiedergabe von Fernsehsendungen mit 12,5 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Den deutlichen Anstieg um 31 Prozent im letzten Sektor führt die GEMA größtenteils auf Veranstaltungen im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zurück. Die Einnahmen im Tonträgerbereich haben sich dagegen um 14 Prozent auf 102,5 Millionen Euro verringert.

Als nicht dazu geeignet, in Optimismus zu verfallen, bezeichnete Heker die Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Heker forderte die Bundestagsabgeordneten auf, die geplante weitere Novelle des Urheberrechtsgesetzes zu korrigieren. In der jetzigen Form würde der so genannte 2. Korb zu einer "Enteignung" der Musikautoren im Bereich der Vergütungsansprüche für private Vervielfältigungen führen, bekräftigte der GEMA-Chef Kritikpunkte seines Hauses. Allein aufgrund der zu erwartenden Rückgänge des Geräteaufkommens von 54,3 Millionen Euro um nahezu ein Drittel drohe sich die Situation der Urheber dramatisch zu verschlechtern. Am liebsten wäre es der GEMA daher, wenn der Gesetzgeber die Vergütungshöhe weiterhin selbst festlegen würde.

Vergleichsweise gut aufstellen konnte sich die Verwertungsgesellschaft entgegen eigener Befürchtungen im Rahmen des "Wettbewerbs um die Rechteinhaber", den die EU-Kommission in ihrer umstrittenen Empfehlung zum Online-Musikmarkt forcierte. Hier hat die GEMA einen Central European Licensing and Administration Service (CELAS) aufgebaut, um paneuropäische Lizenzen erteilen zu können. Als erster großes Label vertraute EMI in diesem Zusammenhang der GEMA und ihrer englischen Schwester MCPS-PRS die anglo-amerikanischen Rechte an. Mit weiteren großen Vertragsabschlüssen rechnet Heker bis zum Herbst. Den erwünschten "One Stop"-Shop hätten Nutzer wie Online-Musikportale mit dem Vorstoß aus Brüssel nicht erhalten. Statt zu allen Verwertungsgesellschaften der EU-Staaten müssten sie nun aber nur noch zu "fünf oder sechs" gehen, um die benötigten Rechtebündel zu bekommen.

Risiken sieht Heker hier für kleinere nationale Verwerter, da die bei ihnen verbleibenden "Nischenrepertoires und landesspezifische Musik nicht mehr so nachgefragt sein könnten". Als weiteren Erfolg im Lizenzgeschäft begrüßte Heker, dass mit der Einrichtung eines Online-Shops inzwischen über 1000 Webradios Verträge mit der GEMA abgeschlossen hätten. Die dadurch erzielten Umsätze seien mit rund 280.000 Euro zwar noch bescheiden, aber es handle sich um einen Schritt in die richtige Richtung.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)