GTA San Andreas: "Hot Coffee" lässt die Kläger kalt

Der Porno-Patch für GTA San Andreas beschäftigt nach zwei Jahren immer noch die Gerichte. In New York geht es um den Vergleich im Rahmen einer Sammelklage, der sich allerdings nur ein Bruchteil der Millionen GTA-Gamer anschließen wollten.

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Heute will sich kaum jemand mehr aufregen. Im Sommer 2006 war das noch anders: Ein paar fleischfarbene Pixel sorgten für eine empörte Erregungswelle im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Sex-Skandälchen um einen "Hot Coffee" genannten, nicht autorisierten Mod für den Spieleknaller "GTA San Andreas" hat amerikanische Abgeordnete, Staatsanwälte und den Regulierer beschäftigt. Jetzt wollen sich nur noch Anwälte mit dem Sex-Mod abgeben und auch die müssen feststellen: Die Geschichte ist längst kalter Kaffee.

Das wundert auch niemand, hat doch die brutale GTA-Reihe mit ihrem jüngsten Ableger einen erstaunlichen Wandel vollzogen: Zumindest in den etablierten Feuilletons – etwa der New York Times oder der Zeit – ist GTA nun nicht mehr der Anfang vom Ende der abendländischen Zivilisation (aka "Killerspiel"), sondern der aufregende nächste Schritt zu einem heranwachsenden erzählerischen Medium. Das damalige Geschrei um Hot Coffee interessiert heute keinen Menschen mehr. Nur die Richter müssen sich noch mit dem Porno-Patch beschäftigen.

Nur knapp 2700 Computerspieler (oder vermutlich eher deren Eltern) wollten sich einer Sammelklage anschließen, die Rechtsanwälte gegen den das Studio Rockstar Games und dessen Mutterkonzern Take Two Interactive angestrengt hatten. In dem Verfahren liegt dem Gericht ein Vergleichsangebot vor, mit dem Take Two einen kostspieligen Prozess vermeiden will. Wer eine ungepatchte, vor dem 20. Juli 2005 hergestellte – und in der Folge mit dem Porno-Label "Adults only" versehene – Version des Spiels gekauft hat, kann diese gegen eine gesäuberte Fassung umtauschen und/oder eine finanzielle Kompensation von bis zu 35 US-Dollar erhalten.

Bei bisher 2676 Klägern keine große Sache für den Publisher. Auch nicht für die Anwälte, die ihre Enttäuschung in einem Bericht der New York Times nicht verhehlen können. Juristen von über zehn Kanzleien sind in dem Fall involviert und haben bei Gericht über eine Million US-Dollar Anwaltskosten geltend gemacht – eine Summe, der Take Two offenbar nicht widerspricht. Dafür macht ein anderer Anwalt, selbst Computerspieler, seine Einwände geltend. Ted Frank hält die Anwaltskosten für überzogen und hat schriftlichen Einspruch gegen den Vergleich eingelegt.

Denn die Anwälte verlangen ebensoviel Geld wie für die "Opfer" vorgesehen ist: Dem geplanten Vergleich zufolge soll Take Two einen Fonds von 1,025 Millionen US-Dollar einrichten, aus dem die bis zur Deadline Mitte Mai geltend gemachten Ansprüche der Kläger – knapp 30.000 US-Dollar – bestritten werden sowie eine vereinbarte Spende von 50.000 US-Dollar und die Personalkosten für die treuhänderische Abwicklung des Vergleichs. Der Rest des Topfes soll als Spende an die US-Organisation für Eltern und Lehrer (Parent Teacher Association, PTA) sowie die Bewertungsstelle Entertainment Software Ratings Board (ESRB) gehen.

"Es gibt zwei Möglichkeiten", sagt Frank der NYT. Die skizziert er auch in seinem Widerspruch (PDF-Dokument): Entweder haben die Anwälte einen aussichtsreichen Fall oder nicht. Sollte der Fall tatsächlich Substanz haben, meint Frank, dann schenken die Anwälte die Ansprüche ihrer Klienten mit dem Vergleich weg, sichern sich selbst aber ein ordentliches Honrorar. Frank glaubt allerdings eher, dass der Fall völlig aussichtslos ist und nie vor ein Gericht gehört hätte – der Meinung können sich die Rockstar-Anwälte anschließen.

Die kritisierten Kollegen halten Frank und seinen Anwalt für notorische Querulanten und sprechen ihm sein Einspruchsrecht ab, weil er den Sex-Mod nicht anstößig gefunden habe. Frank dagegen, der für eine Reform des zivilrechtlichen Schadensersatzes im US-Recht eintritt, verweist auf seine alte San-Andreas-Kopie für die Xbox und zählt sich damit zu den Millionen potenziell Begünstigten des Vergleichs.

Noch ist der Vergleich nicht durch. Es fehlt die Unterschrift eines Richters, der den Fall damit rechtskräftig abschließt. Am heutigen Mittwoch findet dazu vor einem Bundesgericht in Manhattan (New York) eine Anhörung statt. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die vorsitzende Richterin den Vergleich über den Haufen wirft und es noch zu einem Prozess kommt. Dann müsste die Frage geklärt werden, inwieweit Take Two seine Kunden tatsächlich "getäuscht" hat und ein Produkt verkaufte, das nicht den Erwartungen der Kunden entsprach.

Zur Erinnerung: Es geht um ein paar Sexszenen in einem auch sonst nicht zimperlichen Computerspiel, die nur unter Einsatz von Fremdsoftware und einiger technischer Fähigkeiten überhaupt zu sehen waren. Ted Frank dürfte egal sein, wie das Verfahren in diesem Fall ausgeht. Der Jurist hat mit den rund 2 Millionen, an ein paar pinken Pixeln aufgehängten US-Dollar frische Argumente gegen den Irrsinn, der sich in den Niederungen des Zivilrechts ausbreiten kann. (vbr)