Geophysik: Der innere Erdkern rotiert langsamer und ändert die Richtung​

Der innere Erdkern ändert seine Rotation relativ zum Rest der Erde. Wissenschaftler sehen darin die Bestätigung einer etwa 70-jährigen Oszillation.

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Merkur, Venus, Erde, Mond, Mars (schematisch)

Künstlerischer Blick ins Innere der Erde

(Bild: Maxx-Studio/Shutterstock.com)

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Der innere Erdkern, eine feste Kugel aus Eisen und Nickel vom Durchmesser des Erdmondes, ist von einem flüssigen äußeren Erdkern umgeben. Schon lange gehen Forscherinnen und Forscher davon aus, dass sich der innere Kern unabhängig vom Rest des Planeten dreht. Die genaue Bewegung war jedoch bisher umstritten: Einige Studien deuteten auf eine kontinuierliche Rotation hin, andere auf eine oszillierende Bewegung. Eine aktuelle Veröffentlichung in der Fachzeitschrift "Nature" liefert nun Belege für ein Modell, bei dem der innere Kern zunächst in eine Richtung rotiert, dann langsamer wird, die Richtung ändert und sich in die Gegenrichtung dreht – und das in einem Zyklus von etwa 70 Jahren.

Das internationale Forscherteam um den Seismologen John E. Vidale hat jahrzehntealte seismische Daten ausgewertet. Dabei konzentrierten sie sich auf sogenannte seismische Zwillingsbeben, also Erdbeben, die sich am selben Ort mit ähnlichem Verlauf wiederholen. Die von solchen Beben ausgehenden seismischen Wellen durchqueren das Erdinnere und werden dabei vom inneren Erdkern beeinflusst. Vergleicht man die Seismogramme von Zwillingsbeben, die Jahre auseinander liegen, lassen sich Rückschlüsse auf Veränderungen im inneren Kern ziehen.

Die Forscher identifizierten 121 Zwillingsbeben zwischen 1991 und 2023 in der Region der Sandwich-Inseln im Südatlantik. Die Wellen dieser Beben wurden von seismischen Arrays in Nord- und Mittelamerika aufgezeichnet.

Beim Vergleich der Seismogramme zeigte sich, dass sich die Wellenformen im Laufe der Jahre oft deutlich veränderten, dann aber wieder zu einem früheren Muster zurückkehrten. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass der innere Kern zu bestimmten Zeiten wieder die gleiche Position gegenüber Erdmantel und Erdkruste eingenommen hat wie zuvor. Aus dem Muster der Seismogramm-Änderungen schließen sie, dass sich der innere Kern von 2003 bis etwa 2008 in eine Richtung gedreht hat. Ab 2009 drehte er sich zwei- bis dreimal langsamer in die entgegengesetzte Richtung.

Diese Beobachtungen stehen mit einem Modell im Einklang, bei dem der innere Kern in einem etwa 70 Jahre dauernden Zyklus zunächst in einer Richtung rotiert, dann langsamer wird und schließlich die Richtung wechselt.

Während die genaue Bewegung des inneren Kerns noch erforscht wird, ist die Bedeutung der Konvektionsströmungen im äußeren Kern schon lange bekannt. Sie sind der Antrieb für den Geodynamo, der rund 95 Prozent des Erdmagnetfeldes erzeugt. Er funktioniert nach den Prinzipien der Magnetohydrodynamik: Das im äußeren Kern aufsteigende heiße, flüssige und elektrisch leitfähige Material erzeugt elektrische Ströme. Diese wiederum induzieren Magnetfelder, die sich mit den Konvektionsströmungen verstärken. So entsteht ein sich selbst erhaltender Dynamoprozess, der das Erdmagnetfeld aufrechterhält.

Dieses Magnetfeld ist lebenswichtig, da es die Erde vor energiereicher kosmischer Strahlung und dem Sonnenwind schützt. Ohne diesen Schutzschild wäre die Entstehung höheren Lebens auf der Erde wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Änderungen in der Rotation des inneren Erdkerns könnten sich ebenfalls auf die Tageslänge auswirken, je nachdem, ob sich der Kern mit oder gegen die Erdrotation dreht. Obwohl der innere Erdkern wegen seiner hohen Dichte ein Drittel der Erdmasse ausmacht, wären die Veränderungen so gering, dass sie von anderen Effekten überlagert würden, sagt John E. Vidale. Zu diesen Effekten gehören neben den Vorgängen im Erdinneren auch Massenverlagerungen an der Erdoberfläche wie die Bewegungen der Ozeane oder das durch die globale Erwärmung beschleunigte Abschmelzen der Polkappen.

Eine im März veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass die Eisschmelze die Erdrotation seit Ende des 20. Jahrhunderts um etwa eine Millisekunde pro Tag verlangsamt hat. Das hatte die Notwendigkeit einer Anpassung der Atomuhren an die Erdrotation, die sogenannten Schaltsekunden, um einige Jahre verzögert. Die Bewegungen des inneren Erdkerns, die Dynamik des äußeren Kerns und Massenverlagerungen an der Erdoberfläche greifen also ineinander und beeinflussen die Rotation unseres Planeten auf komplexe Weise.

(vza)