Gesetzenwurf: Polizei soll Gesichtserkennungs-Software einsetzen dürfen

Ein Gesetzesentwurf des Innenministeriums sieht vor, dass Ermittlungsbehörden künftig biometrische Abgleiche mit Bilddaten aus dem Internet durchführen dürfen.​

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Videoüberwachungsschild

Videoüberwachung im öffentlichen Raum

(Bild: heise online / mack)

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Die Bundesregierung plant, den Einsatz von Gesichtserkennungs-Software für Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei bei der Suche nach mutmaßlichen Terroristen und Schwerverbrechern zu erlauben. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht vor, in der Strafprozessordnung den neuen Paragrafen 98e aufzunehmen, der einen "biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet" erlaube, wie "Der Spiegel" berichtet.

Die geplante Gesetzesänderung, die noch von Kabinett und Bundestag gebilligt werden muss, soll "den Polizeibehörden moderne Befugnisse" geben und auch die automatisierte Datenanalyse mithilfe künstlicher Intelligenz ermöglichen. Eine Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum – etwa durch Videoüberwachung an Bahnhöfen – ist nach Angaben des Ministeriums jedoch ausdrücklich nicht geplant.

Laut einem Sprecher des Innenministeriums soll die geplante Gesetzesänderung den Ermittlern ermöglichen, etwa Internet-Videos von IS-Mitgliedern mit Bildern in sozialen Netzwerken abzugleichen, um Hinweise auf den Aufenthaltsort von Verdächtigen zu erhalten.

Die Debatte über den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie wurde durch die kürzliche Festnahme der ehemaligen RAF-Terroristin Daniela Klette verstärkt. Ein kanadischer Journalist hatte Monate zuvor mit einem Gesichtserkennungs-Programm im Internet ältere mutmaßliche Fotos von Klette in Berlin gefunden.

Der Präsident des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen, Friedo de Vries, ging kürzlich in seinen Forderungen noch weiter. Er wünscht sich eine behördeneigene Gesichtserkennungs-Software für die Strafverfolgung. De Vries sagte dem NDR: "Ich wünsche mir, dass wir mit Gesichtserkennungsmethoden auch Fahndungsansätze generieren können. Das heißt, im Netz nach möglichen Aufenthaltsorten und Anknüpfungspunkten suchen dürfen." Ziel sei es, effektiver nach Straftätern fahnden zu können, denen mehr als ein Jahr Gefängnisstrafe drohe.

Kritiker warnen schon seit Längerem vor den Risiken einer allgegenwärtigen Erfassung im öffentlichen Raum und möglichen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Zudem wird auf Probleme wie Diskriminierung und Fehlerquoten bei der automatisierten Gesichtserkennung hingewiesen.

Die geplante Ausweitung der Befugnisse für Ermittlungsbehörden steht im Kontrast zu früheren Debatten über ein mögliches Verbot biometrischer Überwachung. Bei einer Anhörung im Bundestag zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) hatten sich Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen und überraschenderweise auch ein Staatsrechtler der Polizeiakademie Hamburg für ein explizites Verbot von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ausgesprochen.

Der kürzlich in Kraft getretene AI Act der Europäischen Union verbietet grundsätzlich die Gesichtserkennung für die Strafverfolgung, macht aber bei 16 klar definierten Straftaten eine Ausnahme. Dazu gehören vor allem Szenarien, bei denen Gefahr im Verzug ist. Dennoch benötigen Ermittler die Genehmigung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde.

(vza)