Grenzwert-Streit: Bundestag schränkt mögliche Diesel-Fahrverbote ein

Das Parlament hat eine Reform des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beschlossen, die Verkehrseinschränkungen erschwert.

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Blaue Umweltplakette soll kommen ? Diesel bleibt billiger als Benzin. Porsche Auspuff, Autostadt

(Bild: Kristina Beer)

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"Verkehrsbeschränkungen" und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge mit erhöhtem Schadstoffausstoß sollen nur noch in betroffenen Gebieten in Betracht kommen, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft "im Jahresmittel" überschritten worden ist. Eine entsprechende Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hat der Bundestag am Donnerstag beschlossen. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Für die Initiative stimmte neben der großen Koalition auch die AfD. Linke und Grüne waren dagegen, die FDP enthielt sich. Anträge etwa der Linksfraktion, Autohersteller zur wirksamen technischen Nachrüstung von Diesel-Pkw zu verpflichten, oder der Grünen, eine blaue Plakette einzuführen und Herstellern die Kosten für Hardware-Erneuerungen aufzubürden, fanden keine Mehrheit.

Die Bundesregierung ging in ihrem entsprechenden Entwurf davon aus, dass gegebenenfalls 15 deutsche Städte diese Vorgaben nicht einhalten können. Dieselautos mit der Schadstoffklasse Euro 6 sollen ganz ausgenommen werden, Fahrzeuge der Klassen Euro 4 und 5, wenn sie weniger als 270 mg Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen. Ziel der Initiative ist es, Fahrverbote generell zu vermeiden. Diese seien zumindest in einem Abschnitt zwischen 40 und 50 Mikrogramm nicht verhältnismäßig.

Unter bestimmten Bedingungen gelten Verkehrseinschränkungen auch nicht für nachgerüstete Busse, schwere Kommunalfahrzeuge und Handwerker- und Lieferfahrzeuge mit einem Gewicht von 2,8 bis 7,8 Tonnen. Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD ergänzten über einen Änderungsantrag, dass auch schwere Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen der privaten Entsorgungswirtschaft bundesweit einheitlich von Fahrverboten ausgenommen werden, wenn sie eine allgemeine Betriebserlaubnis für ein Stickstoffdioxid-Minderungssystem haben und dieses die technischen Anforderungen für eine finanzielle Förderung des Bundes erfüllt.

"Fahrverbote sind ein hartes Mittel", begründete der parlamentarische Umweltstaatssekretär Florian Pronold (SPD) die Initiative. Diese müssten daher verhältnismäßig sein und die bereits eingeleiteten Schritte von Städten zur Schadstoffreduzierung berücksichtigen. Es komme darauf an, dass es parallel zu Nachrüstungen komme. Viele Dieselfahrer seien durch Mogeleien der Hersteller etwa durch Manipulationssoftware enttäuscht worden.

Der parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung hatte im Vorfeld unter anderem hinterfragt, ob das Vorhaben fundiert beziehungsweise "datenbasiert tragfähig" sei. Möglicherweise werde ein "größerer Spielraum bei der Überschreitung des EU-Grenzwertes für verhältnismäßig" erklärt, als es mit den europäischen Vorgaben vereinbar wäre. Die Experten stellten fest, dass die vorgesehenen gesetzlichen Ausnahmen von Fahrverboten "auch die Billigung einer gesundheitlichen Mehrbelastung bedeutet".

Mit der Reform nimmt das Parlament in Kauf, bald wieder nachbessern zu müssen. Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist gerade dabei, die einschlägige EU-Richtlinie zu interpretieren. Generalanwältin Juliane Kokott hat in ihren Schlussanträgen jüngst dafür plädiert, dass Regionen aus den Ergebnissen verschiedener Messstationen keinen Mittelwert bilden dürften, um die Einhaltung der Grenzwerte zu beurteilen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen seien überall dort zu befürchten, wo die Grenzwerte überschritten werden. Dort müssten auch geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden. (axk)