Halbleiterindustrie:​ Immer mehr Chips – immer mehr Jobs​

Halbleiter-Hersteller bauen ihre Produktion in Deutschland aus und mit Intel lässt sich ein Chip-Riese nieder. Das dürfte den Mangel an Fachkräften verschärfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen

(Bild: Maksim Shmeljov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Ein letztes Mal wurden in diesem Herbst die Felder im Süden Magdeburgs abgeerntet. Dann ist Schluss mit Landwirtschaft auf dem Eulenberg. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres buddeln Bagger den Boden auf, denn Intel baut in diesem Industriegebiet von Magdeburg eine Megafab. Dabei kleckert der Champion der Chips nicht, er klotzt – und das gigantisch. 17 Milliarden Euro investiert das US-Unternehme in eine Fabrik zur Produktion von Chips.

heise jobs – der IT-Stellenmarkt

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

Die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts haben die Amerikaner strategisch gewählt. Sie liegt zwischen den Werken von VW in Wolfsburg und Tesla in Grünheide. Autohersteller könnten die großen Abnehmer der Produkte sein. Wie wichtig Chips für moderne Fahrzeuge sind, zeigt ein Vergleich: wurden früher zwischen 60 bis 70 Chips in einem Auto verbaut, so sind es heute mehrere Hundert. Das ist ein massiver Anstieg und der Bedarf steigt rasant an, weil Elektroautos zehnmal so viel Chips brauchen wie Benziner oder Diesel.

Das Areal von Intel umfasst 450 Hektar, was etwa 600 Fußballfeldern entspricht. Christin Eisenschmid, die Deutschland-Chefin von Intel, rechnet mit bis zu 3.000 neuen Stellen in den ersten zwei Fabriken. Langfristig sollen bis zu acht zusammenhängende Hallen entstehen und 10.000 neue Jobs. Dazu kommen mehrere Tausend Arbeitsplätze bei Zulieferern. Der Produktionsstart ist für 2027 geplant.

Es ist die größte Neugründung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Intel hat Magdeburg unter 70 möglichen Standorten ausgewählt, darunter auch Dresden. In der Landeshauptstadt Sachsens bündelt sich aktuell die deutsche Halbleiterindustrie. Ausschlaggebend für die Ansiedlung waren in beiden Fällen höchstwahrscheinlich sehr hohe staatliche Subventionen. Die alte und neue Regierung sowie die EU wollen diese Schlüsseltechnologie in Deutschland und Europa auszubauen.

Auch wenn momentan die Zeichen auf Abschwung und Rezession stehen, dürfte die Halbleiterindustrie langfristig ein Wachstumsmarkt bleiben. Der Produktionsanteil Europas liegt bei rund 8 Prozent. "Mithilfe des europäischen Förderungsgesetzes, dem Chips Act, soll dieser Anteil bis 2030 auf 20 Prozent wachsen und sich damit auch der Marktanteil Deutschlands in etwa verdoppeln", sagt Michael Dehnert, Bereichsleiter Components im ZVEI. An diesen Plänen wird wohl auch die derzeitige Flaute nichts ändern.

In Deutschland werden überwiegend Leistungshalbleiter designt und gefertigt, etwa für die Elektromobilität und die Industrieautomatisierung. "Das sind robuste Halbleiter, die selbst bei schwierigen Rahmenbedingungen wie Hitze, Kälte und Vibrationen zuverlässig funktionieren", sagt Dehnert. Etwa ein Drittel aller weltweit gefertigten Halbleiter fürs Steuern und Schalten von großen elektrischen Leistungen stammt aus Deutschland.

Bosch designt und fertigt solche Chips für Anwendungen in der Automobilindustrie seit einem Jahr in Dresden. 2021 wurde die Chipfabrik eröffnet. Mit gut einer Milliarde Euro war es die größte Einzelinvestition in der langen Historie des Konzerns. "Unsere Produkte werden in der gesamten Elektronik im Auto verbaut, etwa der Motorsteuerung, elektrischen Lenkungen und Bremsen", sagt Werksleiter Christian Koitzsch. Nach nur einem Jahr Betrieb baut Bosch die Fertigung bereits aus. Die bestehenden 10.000 Quadratmeter Reinraum werden um 3.000 Quadratmeter erweitert und es wird in Forschung und Entwicklung investiert, "mitermöglicht durch die europäische Förderung", sagt Koitzsch. Die moderne 300-Millimeter-Chipfertigung ist voll automatisiert. Produziert wird rund um die Uhr, an 365 Tagen.

In und um Dresden haben sich neben Bosch mit Infineon, Globalfoundries und X-Fab gleich vier große Chiphersteller angesiedelt und mit den Konzernen zahlreiche mittelständische Zulieferer. Insgesamt sind es etwa 1.250 Firmen, die sich mit Halbleitern beschäftigen und die rund 37.000 Beschäftigte haben. "Bis 2030 soll die Anzahl der Mitarbeitenden auf etwa 50.000 steigen", sagt Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Vereins Silicon Saxony, einem Hightech-Netzwerk für Sachsen.

Das US-amerikanische Halbleiterunternehmen Globalfoundries produziert in Dresden lediglich, Bosch designt seine Chips dort auch. "So entstehen neue Jobs für Facharbeiter und Akademiker entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Halbleiterindustrie", sagt Bösenberg. Mehrere hundert, wenn nicht tausende Stellen seien derzeit im Raum Dresden, Freiberg, Chemnitz vakant.

Sie zu besetzen, fällt zunehmend schwerer. "Der Personalmangel hat sich in letzter Zeit spürbar verschärft", sagt Bösenberg. Hinzu kommt eine starke Wettbewerbssituation in der Region, weil viele Firmen Mitarbeiter mit demselben Profil suchen. Große Unternehmen haben effizientere Strukturen in der Mitarbeitergewinnung und sie zahlen oft höhere Gehälter als Mittelständler. Das ist in der Halbleiterindustrie nicht anders als in anderen Branchen. Deshalb finden große Firmen leichter Personal als kleine.

Bosch zum Beispiel hat innerhalb eines Jahres rund 100 neue Mitarbeiter eingestellt. "Wir gewinnen ausreichend gute Kompetenzen am Arbeitsmarkt", sagt Werksleiter Koitzsch. Als eine der Quellen für den Nachwuchs hebt er die TU Dresden heraus, die in den für Bosch wichtigen MINT-Technologien stark ist und mit der das Unternehmen eng kooperiert.

In vielen Firmen der Halbleiterindustrie, auch in Sachsen, herrsche ein Fachkräftemangel auf allen Ebenen, meint Dehnert vom ZVEI. Es fehlt an Ingenieuren, Physikern, Produktionsmitarbeitern. "Den Fachkräftebedarf können wir mit eigenem Nachwuchs nicht decken, weil es an qualifizierten jungen Leuten mangelt." Eventuell helfe die Migration von ausländischen Fachkräften, die Halbleiterindustrie auszubauen.

Intels-Deutschlandchefin Eisenschmid sagt, dass bis zu 7000 Bauarbeiter in der Bauphase in Magdeburg tätig sein werden. Dabei herrscht auch in der Baubranche Personalmangel. Es bleibt spannend, ob die Fabrik zum genannten Termin fertig sein wird und woher die ersten 3000 Mitarbeiter für die Chipproduktion kommen sollen. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. In diesem Fall aus Sicht des Arbeitsmarkts ganz besonders zum Vorteil von Fachkräften für Chips.

(axk)