Hambacher Forst: Polizei belieferte RWE mit vielen GPS-Daten und Fotos

Ohne Rechtsgrundlage gab das Innenministerium Nordrhein-Westfalen eine lange Liste mit katalogisierten Baumhäusern zur Räumung an den Energiekonzern.

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Hambacher Forst: Polizei belieferte RWE mit vielen GPS-Daten und Fotos

(Bild: dpa / Henning Kaiser)

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77 gut gefüllte Seiten enthält das Dokument, auf dem das Polizeipräsidium Aachen Baumhäuser im Hambacher Forst recht akribisch mit Bildaufnahmen und GPS-Daten zur vergleichsweise genauen Lokalisierung erfasste. Die brisante Liste hatte das Innenministerium Nordrhein-Westfalen 2018 an RWE weitergeben. Der Energiekonzern sollte damit in Eigenregie "schlüssige" zivilrechtliche Räumungsanträge stellen. Er hatte zuvor vorgebracht, selbst nicht an die erforderlichen Informationen heranzukommen.

Das detaillierte Dokument mit einem Update vom 24. August 2019 hat FragDenStaat auf eine Anfrage über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erhalten und am Montag veröffentlicht. Ein Baumhaus mit den Koordinaten 50°52.6984 N, 006°32.7787 E ist darauf etwa verzeichnet, Luftaufnahmen sowie Fotos aus der Nähe eines anderen mit der Position 50°52.7113 N, 006°32.7787 E. Insgesamt katalogisierten die Aachener Ordnungshüter in dem Verzeichnis 46 Aufenthaltsorte von Aktivisten. Die Daten erlaubten es allen Besitzern der Liste, die Positionen der Waldbewohner genau zu bestimmen.

Eine rechtliche Grundlage habe das Innenministerium für den Transfer des Katasters nicht gehabt, monieren die Betreiber des Transparenzportals. Sie hatten bereits im November publik gemacht, dass es ein entsprechendes Angebot des von Herbert Reul (CDU) geführten Ressorts gegeben habe. Damals war aber noch unklar, dass die Liste tatsächlich an RWE gegangen ist und wie umfangreich das Material ausfiel. Ein Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht hatte es schon damals als sehr bedenklich bezeichnet, dass hier eine Behörde ohne Befugnis einem privaten Unternehmen dabei assistiert habe, privatrechtlich gegen Dritte vorzugehen.

RWE nutzte das "Geschenk" des Ministeriums zunächst nicht, da es interne Bedenken rund um die Umsetzbarkeit des Plans gab. Das Unternehmen schätzte die Gefahr als hoch ein, dass Richter auf den Polizeidaten beruhende Räumungsanträge ablehnen würden, da die für einen entsprechenden Titel benötigten bürgerlichen Namen vieler Aktivisten nicht bekannt seien.

Letztlich ließ das Innenressort den Forst 2018 durch die Polizei selbst räumen und verwies dabei auf den Brandschutz und angeblich akut drohende Gefahren. Die hilfreichen Daten lagen den Behörden dabei bereits vor. Aufgeklärt sind die Umstände der Polizeiaktionen mit teils tödlichen Folgen bis heute nicht vollständig, die Zukunft des Forstes ist weiter offen. Aktuell besteht ein Moratorium der Landesregierung gegen weitere geplante Rodungen durch RWE, das dieses Jahr aber auslaufen soll.

(tiw)