Linux 5.5 freigegeben: Wireguard-Fundament und Performance-Verbesserungen

Seite 9: Ausblick und Statistik zu jüngsten Linux-Versionen

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Mit der Freigabe von Linux 5.5 beginnt zugleich die "Merge Window" genannte Phase, in der Linus Torvalds das Gros der Änderungen für den Nachfolger integriert. In den nächsten Tagen fließen daher viele tausend Änderungen in den Hauptentwicklungszweig von Linux ein, die Entwickler in den letzten Wochen zur Aufnahme in 5.6 vorbereitet und gesammelt haben. Darunter wie bereits erwähnt Support für den PCIe-Controller des Raspberry Pi 4, Wireguard und USB4.

Darüber hinaus liegt aber noch einiges andere bereit. Btrfs soll etwa eine Infrastruktur für "Async Discard" erhalten, um Datenträger per Trim & Co. über nicht mehr genutzte Speicherbereiche informieren zu können, ohne dabei die Performance groß zu beeinflussen. Nachdem Linus Torvalds erst bei Linux 5.4 am Zufallszahlengenerator herumgedoktert hat, geht es dort erneut zu Werke: Die Entwickler wollen eine lang bekannte Eigenart beim Zugriff via /dev/random ein für allemal aus der Welt schaffen. Ganz sicher ist es noch nicht, aber vielleicht fließt auch der bessere Code für Microsofts exFAT-Dateisystem in den Kernel ein – dieser Schritt zeichnete sich schon am Horizont ab, als bekanntermaßen schlechter exFAT-Support in Linux 5.4 einging.

Linus Torvalds beendet das Merge Window typischerweise nach zwei Wochen, indem er die erste Vorabversion einer neuen Kernel-Version veröffentlicht. Das läutet zugleich die Stabilisierungsphase ein, die derzeit fast immer sieben oder acht Wochen dauert. Linux 5.6 erscheint daher mit ziemlicher Sicherheit am 29. März oder 6. April.

Kernel-
Version
Anzahl
Dateien¹
Zeilen
Quelltext
(Ohne
Doku)²
Entwick-
lungs-
zeitraum
Commits
(Ohne
Merges)³
Diffstat⁴
Linux 4.20 62.481 25.955.520
(23.776.585)
63 Tage 14.995
(13.844)
11402 files changed,
 685.027 insertions(+),
 317.959 deletions(-)
Linux 5.0 63.135 26.203.035
(23.933.016)
70 Tage 13.921
(12.808)
12.100 files changed,
579.084 insertions(+),
331.570 deletions(-)
Linux 5.1 63.873 26.459.776
(24.141.004)
63 Tage 14.160
(13.034)
11.977 files changed,
 545.423 insertions(+),
 288.683 deletions(-)
Linux 5.2 64.587 26.552.127
(24.175.296)
63 Tage 15.089
(14.024)
30.888 files changed,
 624.857 insertions(+),
 532.510 deletions(-)
Linux 5.3 65.261 27.141.312
(24.708.822)
70 Tage 15.784
(14.605)
13.983 files changed,
 1.189.832insertions(+),
 600.665 deletions(-)
Linux 5.4 65.701 27.538.212
(25.059.661)
70 Tage 15.725
(14.619)
12.800 files changed,
 821.993 insertions(+),
 435.081 deletions(-)
Linux 5.5 66.493 27.854.754
(25.313.538)
63 Tage 15.497
(14.350)
11.780 files changed,
 607.843 insertions(+),
 291.305 deletions(-)
¹ git ls-tree -r --name-only HEAD | wc -l
² find . -type f -not -regex '\./\.git/.*' | xargs cat | wc -l; echo "($(find . -name *.[hcS] -not -regex '\./\.git/.*' | xargs cat | wc -l))"
³ git-log --pretty=oneline vx.(y-1)..vx.(y) | wc -l; echo "($(git-log --pretty=oneline --no-merges vx.(y-1)..vx.(y) | wc -l))"
⁴ git diff --shortstat vx.(y-1)..vx.(y)
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Den neuen Linux-Kernel herunterladen und einrichten

In den ersten Stunden nach der Freigabe steht die neue Linux-Version nur über einen Git-Checkout des "Mainline" genannten Hauptenwicklerzweigs von Linux bereit; die Download-Möglichkeit über die Frontseite von Kernel.org folgt meist erst, wenn sich die Büros in Europa richtig füllen und jemand die Archive signiert hat.

Auf Kernel.org findet sich auch eine Anleitung, wie Sie die Authentizität und die Unversehrtheit des Quelltextes von Linux prüfen; dort gibt es auch ein Skript, das eine Version herunterlädt und diese Aufgaben durchführt.

Fedora und Rolling-Release-Distributionen wie Arch Linux, Gentoo und OpenSuse Tumbleweed erhalten die neue Linux-Version in den nächsten Tagen und Wochen im Rahmen der regulären Systemaktualisierung. Bei bereits erhältlichen oder kurz vor der Veröffentlichung stehende Releases von Debian, OpenSuse Leap, Ubuntu und den meisten anderen klassisch gewarteten Distributionen macht der Kernel normalerweise keine größeren Versionssprünge; deutlich neuere Linux-Versionen erhält man dort meist nur beim Wechsel auf eine neuere Version der Distribution.

Einzelne Distributionen werden den neuen Kernel über Backports-Repositories zur einfachen Installation anbieten. In der Regel sind solche aber standardmäßig inaktiv, weil dort andere Pflegerichtlinien gelten; Sicherheitskorrekturen beispielsweise gibt es dort meist zeitnah, werden aber vielfach nicht garantiert.

Bei vielen populären Distributionen wird man die neue Linux-Versionen auch über Kernel-Pakete aus Repositories nachrüsten können, die Fans oder Entwickler pflegen. Anwender sollten sich bewusst sein, dass sie über solche Angebote den zentralen Baustein ihrer Distribution austauschen. Wer solche Repositories verwendet, sollte deren Machern daher ähnlich trauen wie seinem Distributor, denn über darin liegende Pakete lassen sich kinderleicht Hintertüren einschleusen. Nach dem Einbinden solcher Repositories obliegt es zudem den Machern dieser Depots, die ausgetauschten Pakete fortan mit Sicherheitskorrekturen zu versorgen. Das vorübergehende oder dauerhafte Aktivieren solcher Repositories kann zudem zu Abhängigkeitsproblemen bei späteren Updates der Distribution führen. Da zentrale Software ausgetauscht wird, kann es zudem leicht zu Instabilitäten kommen; im dümmsten Fall startet das ganze System nicht mehr.

Wer die neue Linux-Version eigenhändig kompilieren und einrichten will, findet Hinweise dazu im c't-Artikel "Linux-Kernel maßgeschneidert". Das darin beschriebene Make-Target make localmodconfig erzeugt weitgehend automatisch eine recht gut auf das jeweilige System zugeschnittene Kernel-Konfiguration, mit der Sie in wenigen Minuten eine neue Linux-Version einrichten können.

Allerlei weitere Informationen zu Linux liefern der erste, zweite, dritte, vierte und fünfte Teil einer c't-FAQ-Reihe mit "Basiswissen zum Linux-Kernel".

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Versionshistorie dieses Artikels

  • 2020-01-27, 08:30 – v2.0: Text anlässlich der Freigabe von 5.5 umgestellt und am Anfang einen Kurzüberblick eingefügt. Ferner auf Seite 3 die Änderungen im Bereich Infrastruktur erläutert, die bis zu diesem Zeitpunkt noch außen vor geblieben waren.
  • 2020-01-22, 06:30 – v1.4: Neue und verbesserte Treiber umrissen.
  • 2020-01-15, 06:30 – v1.3: Verbesserungen rund um Architektur-Code beleuchtet.
  • 2020-01-09, 06:30 – v1.2: Änderungen beim Netzwerkcode erläutert.
  • 2019-12-17, 06:30 – v1.1: Neuerungen bei Dateisystemen und Storage-Support beschrieben.
  • 2019-12-09, 07:20 – v1.0: Anlässlich der ersten Vorabversion von Linux 5.5 die Highlights dieser Kernel-Version kurz angerissen.

Der Newsticker von heise online wird alle größeren Erweiterungen dieses Kernel-Logs erwähnen, auf die außerdem auch der Twitter-Account @kernellog hinweist.

(thl)