Hochpräzise Zeitmessung: Erster Prototyp einer Atomkern-Uhr ​

Für tiefe Einblicke in Naturgesetze braucht man ungeheure Präzision. Der erste Prototyp einer Atomkern-Uhr ebnet den Weg zu ultragenauen Zeitmessungen.

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Atomkern mit Stoppuhr

(Bild: Zonda/Thierry Lombry/Shutterstock.com / Montage heise online)

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Atomuhren weichen nur eine Sekunde in Millionen Jahren ab. Trotzdem braucht man für Grundlagenforschung mitunter noch präzisere Zeitmesser. Forscherinnen und Forschern der Technischen Universität Wien (TU Wien) und des JILA/NIST in den USA ist hierfür ein wichtiger Fortschritt in der Präzisionszeitmessung gelungen: Das Team kombinierte eine hochpräzise optische Atomuhr mit einem Hochenergie-Lasersystem und koppelte diese erfolgreich mit einem Kristall, der Thorium-229-Atomkerne enthält. Damit konnten sie das Frequenzverhältnis zwischen dem Energieübergang innerhalb eines Atomkerns und der Atomuhr messen, wie die Wissenschaflter im Fachmagazin Nature berichten.

Prof. Dr. Adriana Pálffy-Buß vom Thorium Nuclear Clock Project und ihr Co-Autor José R. Crespo López-Urrutia vom Max-Planck-Institut für Kernphysik sehen in einem begleitenden Nature-Artikel darin "einen vielversprechenden Schritt für einen Zeitmesser, der helfen könnte, grundlegende Fragen über das Universum zu klären".

Bisherige Atomuhren messen die Übergänge der Orbitalelektronen beispielsweise von Caesium-133. Die Sekunde ist beispielsweise definiert als "die 9192631770-fache Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids Caesium-133 entsprechenden Strahlung".

Für noch genauere Zeitmesser sind zwangsläufig höhere Frequenzen erforderlich, wie sie beispielsweise beim Wechsel der angeregten Zustände in den Atomkernen selbst auftreten. Die Energieniveaus in Atomkernen sind aufgrund der starken Kernkräfte wesentlich unempfindlicher gegenüber äußeren Einflüssen, was zu einer höheren Genauigkeit und Stabilität der Frequenzmessungen führt. Außerdem haben isomere Zustände in Atomkernen, wie im Fall von Thorium-229, oft extrem lange Halbwertszeiten, was die Stabilität der Übergangsfrequenz weiter erhöht. Dies führt zu einer geringeren Frequenzdrift und damit zu einer höheren Stabilität über längere Zeiträume.

Das schwach radioaktive Thorium-229 ist deswegen besonders spannend, weil es das einzige bekannte Isomer (ein Atomkern mit einem abweichenden inneren Energiezustand) ist, das einen extrem niederenergetischen Übergang besitzt (8,355743 Elektronenvolt), den man mit Laserlicht im ultravioletten Spektrum anregen kann. Dies macht es zu einem idealen Kandidaten für eine nukleare optische Uhr, die ultrahochpräzise Messungen ermöglichen und die besten heutigen Atomuhren übertreffen würde. Tatsächlich gelang es einer Forschungsgruppe von der PTB Braunschweig und der TU Wien erst kürzlich erstmals, diesen Kernübergang gezielt anzuregen. Voraus ging eine jahrzehntelange Suche nach der exakten Energiemenge, die für den sogenannten Thorium-Übergang nötig ist.

Für die aktuelle Veröffentlichung betrieben die Wissenschaftler gehörigen Aufwand, um den Atomkern gezielt anzuregen. Sie verwendeten einen Femtosekunden-Laserfrequenzkamm, den sie mit einer Strontium-87-Atomuhr koppelten, einem der genauesten Zeitmesser der Welt. Sie konvertierten dann das grundlegende Kammlicht kohärent auf die siebte harmonische Frequenz im Vakuum-Ultraviolett-Bereich. Damit gelang es den Forschenden, den Kernübergang in einem Thorium-dotierten Kalziumfluoridkristall direkt anzuregen und dessen absolute Frequenz zu bestimmen. "Dieser Kristall ist gewissermaßen das Herzstück des Experiments", so Prof. Thorsten Schumm von der TU Wien, dessen Team den Thorium-Kristall produzierte.

Die Forschenden hoffen, dass ihr Prototyp den Grundstein für neue Möglichkeiten in der Grundlagenphysik und Präzisionsmetrologie eröffnet.

Die Entwicklung einer praktischen Atomkern-Uhr steht jedoch noch vor diversen Herausforderungen. So liefere der Prototyp noch keine Präzisionssteigerung. Ferner sei die außergewöhnlich lange Lebensdauer des isomeren Zustands zwar für die Stabilität vorteilhaft, erschwere jedoch die Detektion des Uhrensignals. Das Team arbeitet darum nach eigenen Angaben an effizienteren Anregungs- und Ausleseschemata, um dieses Problem zu lösen.

Thorsten Schumm sieht in dem Prototyp den Beweis, dass Thorium als Zeitgeber für ultrahochpräzise Messungen verwendet werden kann. "Es bleibt nur noch technische Entwicklungsarbeit zu leisten, ohne dass größere Hindernisse zu erwarten sind."

(vza)