Homeoffice: EU-Abgeordnete fordern Recht auf Nicht-Erreichbarkeit

Der Anspruch, sich außerhalb regulärer Arbeitszeiten ausklinken zu dürfen, soll laut den EU-Parlamentariern ein Grundrecht werden. Telearbeit hat zugelegt.

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(Bild: tsyhun/Shutterstock.com)

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Außerhalb der offiziellen Arbeitszeit muss es Arbeitnehmern erlaubt sein, digitale Geräte ohne Konsequenzen abzuschalten und sich auszuklinken. Dafür hat sich der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des EU-Parlaments in einer in dieser Woche angenommenen Entschließung ausgesprochen. Für die Initiative stimmten 31 Abgeordnete, sechs waren dagegen bei 18 Enthaltungen.

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Die EU-Länder sollen laut der Resolution etwa über einschlägige Klauseln in Tarifverträgen sicherstellen, dass die Arbeitnehmer das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit effektiv ausüben können. Diese Möglichkeit sei zum Schutz der Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung unerlässlich. Die Kultur des "always on" und die wachsende Erwartung, dass Beschäftigte jederzeit erreichbar sein sollten, könne sich negativ auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, die körperliche und geistige Fitness und das Wohlbefinden auswirken.

Der Ausschuss appelliert an die EU-Kommission, eine Richtlinie über das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit in der Freizeit vorzuschlagen. Bislang sei ein solcher Anspruch noch nicht ausdrücklich in EU-Gesetzen verankert. Die Abgeordneten betonen, dass die Möglichkeit, von der Arbeit abzuschalten, ein Grundrecht sein sollte. Allen Beschäftigten müsse klar sein, dass sie von arbeitsbezogenen Aufgaben und elektronischer Kommunikation außerhalb der Arbeitszeit Abstand nehmen könnten.

Laut einem Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Eurofound arbeiten seit Beginn der Coronavirus-Pandemie mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer in der EU von zu Hause aus. Der weit verbreitete Einsatz digitaler Werkzeuge könne dabei auch schädliche Folgen haben: Arbeitszeiten verlängerten sich, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwömmen. Es könne auch verstärkt zu einem "Arbeitsnomadentum" kommen.

Nach Monaten der Telearbeit litten viele unter negativen Nebenwirkungen wie Isolation, Müdigkeit, Depressionen sowie Muskel- oder Augenkrankheiten, beklagte der parlamentarische Berichterstatter Alex Agius Saliba. Für den Sozialdemokraten aus Malta steht außer Frage: "Der Druck, immer erreichbar, immer verfügbar zu sein, wächst, was zu unbezahlten Überstunden und Burnout führt." Die Entschließung muss noch das Plenum des Parlaments passieren, was im Januar erfolgen soll. Sie geht dann als Empfehlung an die EU-Kommission und den Ministerrat.

Hierzulande warnte die SPD in ihrem Programm zur Europawahl 2019, dass durch den technologischen Fortschritt die Rechte der Arbeitnehmer nicht zurückgedreht werden dürften. Man wolle keine "digitalen Tagelöhner", die nur auf Abruf arbeiten könnten. Die "Entgrenzung der Arbeit und eine fortwährende Erreichbarkeit" der Beschäftigten war der Partei schon damals ein Dorn im Auge.

Im Dauerstreit der Koalition um einen Anspruch auf Homeoffice betonte der SPD-Vorstand, Beschäftigte müssten "vor einer überbordenden Inanspruchnahme und der Anforderung einer ständigen Erreichbarkeit oder Präsenz durch den Arbeitgeber" geschützt werden. Auch Experten halten es für unerlässlich, die Erreichbarkeit zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten zu definieren. Der Kulturwandel und das Selbstverständnis im Homeoffice müssten begleitet werden.

(bme)