IBM will Details zum Cell-Prozessor bekanntgeben [Update]

IBM scheint zwar keine finanziellen Verluste, aber einen Imageschaden durch den Wechsel von Apple zu Intel zu befürchten. So rührt man die Werbetrommel für die Cell-CPU -- während man sich zum Xbox-360-Prozessor bedeckt hält.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 149 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

IBM dürften zwar die finanzielle Auswirkungen durch den Wechsel von Apple weg von PowerPC-CPUs hin zu Intel-Prozessoren nicht besonders belasten, aber der Konzern scheint zumindest in der Öffentlichkeit einen Imageverlust zu befürchten. So will man nun offensichtlich mit Informationen zur eigenen Technik und neuen Wunderdingen, die durch IBMs Prozessorarchitektur möglich werden, gegensteuern -- und verspricht detaillierte Informationen und Sourcecode für Entwickler, die für den Cell-Prozessor entwickeln wollen, der unter anderem in Sonys Playstation 3 eingesetzt werden soll.

Einen direkten Kommentar zu Apples Entscheidung für Intel gibt es von IBM zwar nicht, aber immerhin erklärte der Konzern, man bewege sich mit der PowerPC-Architektur energisch über den PC hinaus. Dies zeigten auch die Erfolge mit den Spielesystemen der nächsten Generation, die Sony, Microsoft und Nintendo angekündigt hätten. IBM konzentriere sich auf die Möglichkeiten mit dem höchsten Nutzen für die Firma, und die Richtung, die man mit der Power-Architektur einschlage, stimme mit dieser Strategie überein. So wundert es eigentlich nicht, dass dieser Tage bei IBM die Propagandatrommel für den Cell-Prozessor gerührt wird -- während es dagegen um die Xbox-360-CPU verblüffend still bleibt. Womöglich reklamiert Microsoft hier Exklusivrechte -- was wiederum einer der IBM-Deals gewesen sein könnte, die Steve Jobs auf die Palme brachten und zur Abkehr des Apple-CEOs von IBM beitrugen.

Mit dem Cell-Prozessor dagegen will IBM auch in der Öffentlichkeit punkten: Gerade wurde bekannt, dass IBM auf dem LinuxTag eine Cell-Workstation unter Linux zeigen und Programmierern erklären will, wie Linux auf die CPU portiert wurde. Zudem setzt IBM für die Verbreitung seines neuen Super-Chips neben Linux auf die Offenlegung der Spezifikationen und der Architekturdetails des Prozessors.

"Je größer die Entwicklergemeinde ist, umso erfolgreicher wird das Projekt sein", sagte IBM-Manager Jim Kahle laut dpa. Nähere technische Details des Mehrkernprozessors will das Unternehmen auf einer Konferenz in Barcelona veröffentlichen. Die technischen Details des Prozessors sowie zugehörige Quelltexte für die Nutzung der insgesamt neun Prozessor-Cores sollen Soft- und Hardware-Entwicklern zur freien Verfügung gestellt werden, teilte IBM mit. Damit will IBM die breite Nutzung des Chips forcieren. Noch in diesem Sommer sollen weitere Dokumentationen sowie die auf Cell angepasste Version von Linux veröffentlicht werden.

Den Cell-Prozessor will zum Beispiel Sony in seiner nächsten Spielekonsole PlayStation 3 nutzen, die im Frühjahr 2006 auf den Markt kommen soll. IBM sowie die Mitentwickler Sony und Toshiba erhoffen sich vor allem, im Bereich der digitalen Unterhaltung mit dem neuen Chip das Quasimonopol des Chipherstellers Intel zu brechen. Cell umfasst eine 64-Bit-Power-CPU -- ein vereinfachter Power5 mit Doppelkern -- sowie acht so genannte Synergistic Processing Units (SPU) aus jeweils einem Power-basierten Core. Diese erste massive Nutzung von integrierten Prozessorkernen verschafft dem Chip eine extrem hohe arithmetische Rechenleistung.

[Update]:
Michel Teyssedre, der bereits an der Love-Peace-Linux-Initiative von Big Blue beteiligt war, erklärte vor der Power.org-Veranstaltung in Barcelona, IBM wolle -- analog zur Software -- nun mit der Power-Architektur auch ein "Ökosystem offener Hardware" schaffen. Nun geht die Offenheit in der Hardware allerdings nicht ganz so weit, wie sonst unter diesem Stichwort diskutiert.

IBM Fellow und Cell-Projektleiter Jim Kahle erklärte gegenüber heise online, noch im Sommer -- "so schnell wie möglich" -- wolle IBM einen ersten Satz Dokumentationen über die Prozessor-Architektur bereitstellen. "Wir haben alle Teile beisammen und setzt jetzt im Review Prozess" erklärte Kahle. Konkrete Spezifikationen wie die Leitungsaufnahme oder die Abwärme des Chips werden aber auch dann nicht verraten -- es sei denn, man ist interessiert an einem konkreten Hardware-Projekt und unterschreibt einen entsprechendes Vertraulichkeitsabkommen. Im Herbst will IBM dann Bibliotheken und Software-Tools für die Entwicklung auf dem Cell bereitstellen.

Was der Chip denn auch in einem Desktop-System leisten könnte, kann man ebenfalls in Barcelona sehen, denn IBM führt den erstmals am Rande der E3 ausgestellten Prototypen eines Blade-Servers mit zwei auf 2,4 GHz getakteten Cell-Prozessoren und einem Gigabyte XDRAM auch in Barcelona vor. Die Maschine läuft unter Linux mit einem 2.6.11-Kernel. Konkrete Leistungsdaten sind allerdings auch hier noch nicht zu erfahren.

Zum Wechsel der Prozessorarchitektur bei Apple, zum Cell-Prozessor und der CPU der Xbox 360 siehe auch: