ICANN-Vertrag wird verlängert

Der Grundlagenvertrag zwischen dem US-Handelsministerium und der ICANN zur Verwaltung des Internets wird wie erwartet verlängert. Unklar ist allerdings, wie lange.

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Von
  • Monika Ermert

Wie erwartet wird das US-Handelsministerium (Department of Commerce, DoC) den Grundlagenvertrag über die Internetverwaltung mit der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erneut verlängern. Doch wie lange die Ministerialbehörde National Telecommunications and Information Administration (NTIA) ihre international kritisch gesehene Aufsichtsrolle noch haben wird, wollten der amtierende NTIA-Chef John Kneuer und ICANN-Präsident Paul Twomey noch nicht einmal den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses des US-Senates verraten. Die Senatoren hatten wie ihre Kollegen der Ausschüsse für Telekommunikation und Internet sowie Wirtschaft und Verbraucherschutz des US-Repräsentantenhauses in Anhörungen zur Zukunft der privaten Netzverwaltung am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche Genaueres über die Vertragsverlängerung erfahren wollen.

Kneuer erklärte lediglich, man wolle ICANN ausreichend Zeit für weitere Reformen geben, ohne den Vertrag bis in alle Ewigkeit zu verlängern. Konkreten Fragen der Kongressmitglieder wich er aus. Seit 1998 wurde das so genannte Memorandum of Understanding (MoU) mehrfach um ein bis drei Jahre verlängert. Auf Nachfrage des Ausschussvorsitzenden des Gremiums für Wirtschaft und Verbraucherschutz, Cliff Stearns, bestätigte Kneuer, die vorzeitige Privatisierung der ICANN berge die Gefahr, dass internationale Organisationen die Kontrolle über die Netzverwaltung an sich brächten. Die Übernahme der Netzverwaltung durch eine internationale Organisation, etwa unter Aufsicht der UN, lehnten Abgeordnete und Senatoren rigoros ab. "Das wäre ein Desaster für das System", sagte Fred Upton, Vorsitzender des Ausschusses für Telekommunikation und Internet. "Ich bin aus verschiedenen Gründen strikt dagegen, ICANN unter UN-Kontrolle zu geben."

Allerdings stellen die Kongressmitglieder inzwischen auch die Frage, was andere Regierungen oder Regulierer zu den US-Entscheidungen über die ICANN-Aufsicht sagen. Senator Ted Stevens, wegen seiner Darstellung des Internets als "eine Reihe von Röhren" belächelt, fragte Kneuer, inwieweit die NTIA die Verlängerung des MoU mit Administrationen in anderen Ländern diskutiert habe. Er selbst habe bei einem Besuch in China realisiert, wie sensibel andere Regierungen auf die dominierende Rolle der USA im Bereich der Netzaufsicht reagierten. Stevens befürwortet ein Konstrukt, in dem die Netzverwaltung ohne Regierungsbeteiligung funktionieren würde, ohne dabei US-Interessen in Bezug auf die Stabilität und Sicherheit des Systems zu vernachlässigen. "Ich habe keine Ahnung, wie wir da hin kommen", sagte Stevens. Er könne sich Treffen zwischen Politikern verschiedener Länder vorstellen, um das Thema genauer zu diskutieren. Stevens betonte gleichzeitig: "Das Schlimmste wäre, wenn wir anfangen würden, das Internet vom Kongress aus zu regulieren."

Der Republikaner John Shimkus wagte in der gestrigen Anhörung schließlich sogar die Frage, inwieweit der A-Root-Server zwingend in den USA stehen müsse. Experten und Kneuer warnten eindringlich vor einer Verlegung. Harold Feld vom Media Access Project hielt dagegen, die Verlegung des A-Root-Server beziehungsweise der "Masterkopie" der Rootzone-Datei an einen Standort außerhalb der USA könne eine große Geste gegenüber den Kritikern der US-Aufsicht über das Internet sein. Der ICANN-Kritiker hatte zuvor gefordert, dass man internationales Vertrauen durch mehr Ehrlichkeit schaffen solle. "Die NTIA sollte entweder von vorneherein sagen, dass sie die Autorität über das DNS niemals komplett an ICANN abgeben wird, oder sie sollte klar sagen, wie der Plan zur Übergabe aussieht", forderte Feld. "Wenn eine Übergabe an ICANN wirklich zur Debatte steht, sagt es so und startet die Debatte mit anderen Regierungen, auf welche Weise das gut umgesetzt werden kann". Feld empfahl, die NTIA als Aufsichtsbehörde abzulösen. ICANN solle aufhören, seine quasi regulatorische Rolle abzustreiten.

Die Debatte rund um die Verlängerung des MoU rückte Nachfragen der Abgeordneten und Senatoren zur umstrittenen Vergabe der .com-Registry an VeriSign in den Hintergrund. Ken Silva, Chief Security Officer bei VeriSign, hatte in der Anhörung am Mittwoch die aus Sicherheitsgründen anstehenden Investitionen in die Infrastruktur in den grellsten Farben ausgemalt. Diese Investitionen sind es, mit denen die automatische Vertragsverlängerung für die Cash-Cow .com-Registry sowie eine Lockerung der Preisobergrenzen im neuen Vertrag begründet werden.

Eine heftige Attacke in Bezug auf mögliche Einschränkungen Zugangs zu den Whois-Datenbanken der Registries fuhren sowohl Jon Leibowitz von der Handelsaufsicht FTC als auch Mark Bohanan, Senior Vice President des Verbandes Software & Information Industry Association. Seit Jahren diskutiert eine Arbeitsgruppe innerhalb der ICANN einen abgestuften Zugang zum Whois, um Datenschutzbedenken verschiedener Länder wie der EU-Mitgliedsstaaten Rechnung zu tragen. Leibowitz sagte, die FTC sei bei der Verfolgung von Spammern und Phishing-Betrügern auf die Daten angewiesen. Bohanan forderte von der NTIA, bei der Abfassung des neuen MoU nicht nur den offenen Zugang zum Whois zur Bedingung zu machen, sondern ICANN auch zu verpflichten, mehr gegen falsche Whois-Einträge zu tun. (Monika Ermert) / (vbr)