Im Gigapixel-Rausch

Seite 4: Virtueller Tourismus

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Die Idee, gemeinsame Bildpunkte zu finden und miteinander zu verbinden, lässt sich auch für andere Zwecke als zum Panorama-Stitching verwenden, beispielsweise für Navigation und Suche. Eine Google-Bildersuche nach „Notre Dame Paris“ fördert über eine Million Ergebnisse zu Tage. Die meisten davon zeigen die berühmte Kathedrale, allerdings kann der Suchende nicht spezifizieren, welches Detail er genau aus welchem Blickwinkel sehen möchte. Angesichts der Fülle vorhandener Bilder ist das Konzept der klassischen Bildersuche überfordert.

Die Microsoft Live Labs haben ein Verfahren gefunden, Bildinformationen auf intuitivere Art und Weise zugänglich zu machen. Die Microsoft-Forscher haben in Zusammenarbeit mit der Universität Washington ein Verfahren zum Betrachten großer Bildersammlungen desselben Motivs entwickelt, welches einen völlig anderen Eindruck vermittelt als ein Gigapixel- Bild. Die zugehörige Anwendung heißt Photosynth. Die Synths genannten Bildersammlungen verdankt der Betrachter einem Forschungsprojekt der Universität Washington namens Photo Tourism, deren Ziel es war, eine Umgebung zum Betrachten großer Fotokollektionen zu entwickeln. Dabei wird der Betrachter nicht nur über die Ausrichtung des Fotos, sondern auch über die Aufnahmeposition, Ausrichtung und das Blickfeld der Kamera informiert.

Photosynth verknüpft Einzelbilder lose miteinander zu einem dreidimensionalen Modell.

Photosynth ist eine 3D-Welt im Kleinen. Der Viewer funktioniert immer nur im abgeschlossenen Kontext, das heißt mit Bildern, die sich ähnlich einem zusammengesetzten Panorama überlappen. Auf der Projektseite im Web stehen sieben verschiedene Modelle zum Betrachten bereit: der Petersplatz in Rom, die kanadischen Grassi-Seen, der Markusplatz in Venedig, das Atelier des Künstlers Gary Faigin, der südkoreanische Gyeongbokgung-Palast, eine BBC-Kollektion mit dem Titel „How we built Britain“ sowie Bilder des Space Shuttles Endeavor. Alle Kollektionen lassen sich auf Windows-Rechnern mit XP SP2 oder Vista mit Internet Explorer ab Version 6 oder Firefox ab Version 1.5 betrachten. Voraussetzung ist, dass man vorher den Photosynth-Browser installiert.

„Einer der Träume ist, dass dieser Ansatz virtuelle Reisen zu den interessanten und wichtigen Sehenswürdigkeiten dieser Welt erlaubt“, sagen Noah Snavely und Steven M. Seitz von der Universität Washington sowie Richard Szeliski von Microsoft Research in einem Paper über Photo Tourism. Anders als ein Panorama-Stitcher fügt Photosynth nicht lediglich mehrere Fotos zu einem neuen Bild mit geradegebogenen Kanten zusammen. Der Betrachter fliegt stattdessen per Pfeiltasten durch eine Art 3D-Modell. Er bekommt kein Drahtgitter oder texturierte Flächen zu sehen, sondern navigiert im schwarzen Raum, der von ein paar Lichtpunkten erhellt wird. Die Punktwolke gibt eine grobe Orientierung. Fotos erscheinen während der Fahrt als trapezförmige Rahmen.

Steuert der virtuell Reisende darauf zu, zeigt der Photosynth-Browser das Bild an. Klickt er auf ein anderes, benachbartes Bild, wechselt der Browser nicht nur die Ausrichtung, sondern auch die Perspektive. Was vorher ein Trapez war, wird ein Rechteck. So lässt sich die gesamte Notre Dame im Browser umrunden und von jedem erdenklichen Blickwinkel aus betrachten. Stehen genug Detailaufnahmen zur Verfügung, lassen sich sogar einzelne Fenster und Wasserspeier in Augenschein nehmen. Während der Fahrt geht ständig ein Foto sanft in ein anderes über. Je nach Dichte der verarbeiteten Fotos fährt man von Bild zu Bild an der Fassade der Notre Dame oder den Gebäuden am Markusplatz entlang.