Insider-Kritik: Warum die Regierung mit der Digitalstrategie ziemlich falsch lag

Der Beirat der Digitalstrategie hat die Umsetzung der darin skizzierten Leuchtturmprojekte jahrelang begleitet. Sein ernĂĽchterndes ResĂĽmee: ZurĂĽck auf Anfang.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 101 Kommentare lesen
Illustration einer deutschen Flagge auf einem Schaltkreis

(Bild: LongQuattro/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Es hört sich nach Fundamentalkritik an: "Unsere zentrale Empfehlung an die Bundesregierung lautet: Deutschland braucht eine Digitalstrategie, die diesen Namen verdient." Das schreibt der Beirat des Bits-und-Bytes-Fahrplans der Exekutive zusammen mit dem DigitalService des Bundes in seinem Abschlussbericht nach rund zweijähriger Arbeit. Schwerpunkt war es, die 19 in der Strategie genannten Leuchtturmprojekte durchaus kritisch zu begleiten und zu begutachten. Deren Palette reicht von Ökosystemen für Mobilitätsdaten und digitale Identitäten über die elektronische Patientenakte (ePA) und das digitale Gefechtsfeld bis zu Softwarebausteinen für Verwaltungsdienstleistungen auf Open-Source-Basis. Doch den Insidern zufolge braucht es künftig nur einen einzigen Leuchtturm: "Ein Zielbild, das Orientierung gibt und Ambitionen bündelt."

Die von der Regierung im Spätsommer 2022 vorgelegte Digitalstrategie "ist noch keine", erläutert Beiratsmitglied Ann-Cathrin Riedel. Schon allein die wenigen Monate, die die Exekutive für das Verfassen des Plans Zeit gehabt habe, sei viel zu kurz gewesen. Die künftige Exekutive dürfe die Digitalisierung nicht weiter als Randthema betrachten, da diese die Basis für die Verwaltungstransformation sei.

Von dem geforderten "mutigen" Zielbild aus sind "konkrete, messbare Maßnahmen zu formulieren, die mit transparenten Indikatoren unterlegt werden", heißt es weiter in dem Bericht, der am Mittwoch publiziert wird. Diese sollten dann "entwickelt, priorisiert, miteinander verzahnt und in realistische Umsetzungspläne übersetzt werden". Ferner brauche es "robuste Mechanismen zur Evaluierung und Anpassung".

"Eine Digitalstrategie kann nur erfolgreich sein, wenn es eine klare Steuerungsinstanz gibt", unterstreichen Beirat und DigitalService. Diese müsse "ressortübergreifend handeln können und mit einem zentralen Digitalbudget ausgestattet sein", das als zentraler Kompass diene. Die Umsetzung der Digitalprojekte gehöre in die Hände spezialisierter Fachorganisationen, da "Expertise in IT, Projektmanagement und agilen Methoden" in den Ministerien nicht ausreichend vorhanden seien. Ob es also ein explizites Digitalministerium braucht? Dazu habe jeder seine eigene Meinung, weiß Riedel. Alexander Rabe, Geschäftsführer des eco-Verbands der Internetwirtschaft, unterstreicht als weiteres Beiratsmitglied aber: Die geforderte Instanz dürfe keine Gesprächsrunde sein. Nötig sei eine starke, kompetente, koordinierende Einheit, "die Verantwortung übernehmen muss".

Bei den bisherigen Leuchtturmprojekten, zu denen der Beirat 2023 bereits gesonderte Berichte veröffentlicht hat, sei der Mehrwert für Nutzer manchmal nicht klar gewesen, moniert die Chefin des DigitalService, Christina Lang. Teils hätten die Macher nicht aus der Hüfte heraus angeben können, wer überhaupt die Zielgruppen sein sollten. Als Erfolgsgeschichten wertet sie etwa den Elterngeld-Rechner und den Familienassistenten. Doch es bleibe abzuwarten, ob diese nächstes Jahr noch finanziert werden.

Die Experten loben neben dem Justizprojekt für zivilrechtliche Online-Verfahren etwa auch das Auslandsportal für digitale Visumsanträge. Doch selbst hier sei ein Fehler typisch, gibt Stefan Heumann, Geschäftsführer der Agora Digitale Transformation, zu bedenken. So müsse den Ausländerbehörden der Kommunen doch noch einmal alles in Papier vorgelegt werden, da das Auswärtige Amt die Initiative nicht gemeinsam mit dem Innenministerium und den Ländern vorangetrieben habe. Das Ressort für Digitales und Verkehr zog in seinem 2. Fortschrittsbericht zur Digitalstrategie ein positiveres Fazit.

(fds)