Intel pausiert Chipfabrik in Magdeburg, Werk in Breslau

Intel hält den Geldsack zu. Das trifft jetzt auch die geplanten Fabriken in Magdeburg und Breslau.​

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Intel-Logo mit Slogan "Look inside"

Breslau und Magdeburg liegen im selben Urstromtal.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
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Intel pausiert die Arbeiten an seinen geplanten Chipfabriken in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) und einem Packaging-Werk in Breslau (Niederschlesien). Das hat Intel-CEO Pat Gelsinger am Montag nach einem Treffen mit Intels Verwaltungsrat der Belegschaft mitgeteilt. "Jüngst haben wir unsere Kapazität in Europa ausgebaut, durch unsere Fab in Irland, die auf absehbare Zeit unser führender europäischer Mittelpunkt bleiben wird", schreibt Gelsinger, "Wir werden unsere Projekte in Polen und Deutschland für ungefähr zwei Jahre pausieren, basierend auf der erwarteten Nachfrage im Markt." Bis gestern sollte Magdeburg die größte Intel-Investition in Europa werden.

Diese Entscheidung ist eine von vielen, die zu mehr Effizienz, besserer Wettbewerbsfähigkeit und schließlich besseren finanziellen Ergebnissen führen sollen. Im zweiten Quartal hat Intel fast zwei Milliarden US-Dollar Betriebsverlust erlitten. Der operative Cashflow von gut einer Milliarde Dollar reichte bei Weitem nicht aus, die Investitionen in neue Anlagen von rund zwölf Milliarden zu finanzieren. Intel hat tiefgreifende Probleme, was zu Tumult im Verwaltungsrat geführt hat. Außerdem hat Intel erheblich Stellen abgebaut, nicht nur einmal, samt erheblicher Abfertigungen für Fab-Ingenieure. Bis auf Weiteres schüttet der Konzern keine Dividende aus, um Geld in der Kasse zu halten.

Arbeiten an einer geplanten Fab in Israel wurden laut Berichten schon vor Monaten pausiert. Auch ein Packaging-Werk in Italien, das die Chips aus Magdeburg "verpacken" sollte, liegt auf der langen Bank. In einem Packaging-Werk werden Siliziumchips mit ihren Trägern verheiratet. Die typisch grünen Träger – sogenannte Substrate – dienen als Brücke zwischen Halbleiterbauelement und Platine: Sie stellen die Kontaktflächen bereit, mit denen etwa ein Notebook-Hersteller einen Prozessor aufs Mainboard verlöten kann. In Breslau sollten einfache Chips verpackt werden; komplexes "Advanced Packaging" mit mehreren Chiplets auf einem Träger war dort nicht vorgesehen, war aber für Italien angedacht.

Eine in Malaysia bereits in Bau befindliche Intel-Fabrik für Advanced Packaging soll zwar grundsätzlich fertiggestellt werden, aber offenbar langsamer. In den USA, wo die Subventionen in letzter Zeit besonders hoch sind, plant Intel laut Gelsinger keine Kürzungen bei geplanten neuen Anlagen. Die Sparte für Auftragsfertigungen (Intel Foundry) soll derweil ein eigenständiges Tochterunternehmen werden. Diese innere Spaltung soll die Kapitalstruktur optimieren, unabhängige Geldquellen erschließen helfen und so zu maximalem Wachstum und ebensolcher Shareholder Value führen. Anlagern gefällt es: Intel-Aktien haben am Montag mehr als sechs Prozent zugelegt, nachbörslich kamen bis Redaktionsschluss weitere acht Prozent hinzu.

Erst im Juli hat Intel die Genehmigung für die ersten Bodenarbeiten in Magdeburg erwirkt. Der Baustopp ist nicht bloß eine schlechte Nachricht für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts und Niederschlesiens, sondern könnte auch das Interesse der deutschen Politik an der Unterstützung von Chipfabriken schlechthin bremsen. Das wiederum würde die strategischen Interessen der Europäischen Union untergraben. Ziel des im Vorjahr verabschiedeten European Chips Act ist, Europas Marktanteil an der weltweiten Produktion von Computerchips auf zwanzig Prozent zu verdoppeln; gleichzeitig sollen die Produktionsverfahren umweltfreundlicher und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch befindet sich Europa im Wettstreit mit anderen Standorten, die ebenfalls mit Milliardensubventionen locken.

Gleichzeitig sind die Bau- und Energiekosten in Europa deutlich gestiegen. Intel wollte in Magdeburg ursprünglich 17 Milliarden Euro investieren, zuzüglich 6,8 Milliarden Euro Förderungen, um Ende 2027 die Produktion aufnehmen zu können. Es wäre die größte Auslandsinvestition in Deutschland, zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch bald überstiegen die voraussichtlichen Kosten 30 Milliarden Euro, sodass die öffentliche Hand die Subvention auf 9,9 Milliarden Euro erhöhen musste. Auch das reicht nicht, um einen Produktionsbeginn vor 2030 zu sichern, wie sich jetzt zeigt.

Für die Baubranche und die allgemeine Wirtschaft in der Region ist das erst einmal eine schlechte Nachricht. Es gibt allerdings auch einen Silberstreifen am Horizont: Bis zur Fertigstellung der beiden Fabs in Magdeburg sollte das vielversprechende Fertigungsverfahren 18A ausgereift sein.

Nicht so erfreulich für den Standort Deutschland ist, dass Intel jetzt wieder stärker auf das County Kildare in Irland setzt. Dort gibt es mit Apollo einen Kapitalgeber, der Intel gegen spätere Umsatzbeteiligung mit Milliarden von Dollar zur Seite steht. Immerhin hat Sachsen-Anhalt einen Plan B in der Schublade, für den Fall, dass Intel seine Fabs doch nicht in Magdeburg errichtet – der scheint jetzt nicht mehr ganz so unrealistisch, wie wir noch vor wenigen Wochen gemutmaßt haben. Seitdem hat sich Intels Lage deutlich verschlechtert.

(ds)