Interview mit Profi-Fotograf Peter Franck: "Ein gutes Foto muss verstören"

Gegenüber c't Foto erklärt Peter Franck, was ein gutes Foto ausmacht und wie er Stuttgart-Wangen erneut zum Kodak-Stützpunkt machen will.

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Inhaltsverzeichnis

Als ich angefangen habe, zu Ihnen zu recherchieren, bin ich natürlich auf Ihre Website gestoßen. Dort schaut sich ein mit Klammern offen gehaltenes Auge panisch um. Was soll diese Begrüßung?

Peter Francks Website

(Bild: Screenshot)

Die Begrüßung auf meiner Webseite ist ein GIF aus dem Film "Uhrwerk Orange" von Stanley Kubrick. Es geht in dem Film darum, ob Menschen konditioniert werden können, körperliche und sexuelle Gewalt nicht mehr ertragen zu können – nur durch das exzessive Betrachten von Gewaltbildern. Bilder greifen in unsere Welt ein und ich bin sicher, dass sie diese auch beeinflussen und verändern.

Inwieweit findet sich dieser Ansatz in Ihrer Fotografie wieder?

Meine Fotografie versucht, Freiräume aufzuzeigen und eine Koalition mit der Malerei und anderen Medien einzugehen. Sie versucht im spielerischen Umgang mit Medien, Grenzen zu verschieben oder bestenfalls einzureißen. Alles ist erlaubt, jedoch nicht um des Effekts wegen. Grenzen verschieben sich langsam während des Arbeitsprozesses und die Arbeiten bauen aufeinander auf. Ein gutes Foto muss die Möglichkeit zur vielfältigen und vielschichtigen Interpretation in sich tragen. Es muss Sichtweisen zeigen, die verstören, stören – in jedem Fall aber die Sichtweise des Betrachters in neue Bahnen lenken und somit dessen Sehweise erweitern. Wenn sich die Sehweise erweitert, erweitert sich auch der Horizont und somit eventuell die Weltsicht. Wie oben erwähnt greifen so die Bilder in unsere Welt ein und beeinflussen diese.

Welchen Stil verfolgen Sie als Fotograf und wie hat sich dieser in den vergangenen Jahren verändert?

Peter Franck im Porträt - entstanden ist dieses Tintype während der Arbeit am Kodakprojekt.

(Bild: Jenn Libby)

Der Stil meiner Bilder verändert sich sehr langsam. Da ich von der Malerei komme, musste ich zuerst diese Haut abstreifen, um die Fotografie zuzulassen. Dann wurde über Jahre die Malerei wieder ins Boot gezogen und nun versuchen die Bilder die Balance zwischen den Genres zu halten. Da dies aber alles ein sich wandelnder Prozess ist, kann es natürlich gut sein, dass neue Medien Einzug halten. Dies alles entwickelt sich aber wie gesagt sehr langsam und muss für einen selber nachvollziehbar und erklärbar bleiben, um nicht den Anschluss zur eigenen Arbeit zu verlieren. Dies ist dann die Frage nach der Glaubwürdigkeit, die man in den Bildern erkennen muss.

In welchem Bereich arbeiten Sie dabei hauptsächlich?

Bis auf die reine Reportagefotografie fühle ich mich in allen Bereichen der Fotografie wohl auf die ich meine Regeln anwenden kann. Das "Was" und das "Wie" sollten dabei einen interessanten Gleichklang erzeugen.

Welche Rolle spielen dabei Auftragsarbeiten für Sie, welche Rolle spielen freie Arbeiten?

Die freie Arbeit kann oftmals nur durch eine Auftragsarbeit finanziert werden. Dies bedeutet, dass die freie Arbeit wirklich frei bleiben und die Auftragsarbeit ein wichtiger Pfeiler der künstlerischen Freiheit sein kann. Im Moment arbeite ich mit meiner Kollegin Julia Wenz an einer künstlerischen Spurensuche zur Firma Kodak in Deutschland und den USA. Solche Projekte können schwer ohne Stipendien privater oder in diesem Fall der öffentlichen Hand finanziert werden. Dieses Projekt wird mich noch eine ganze Weile beschäftigen und es sind zwei Ausstellungen und den USA und in Deutschland geplant.

Kodak – der gefallene Fotopionier, über den es auch schon ein paar Fotoprojekte gibt wie das von Catherine Leutenegger. Welche Themen können Sie hier noch beackern?

Peter Franck geht für sein Kodak-Projekt gemeinsam mit anderen Künstlern auf Spurensuche

(Bild: Kodak Moment, 2015, Peter Franck)

Zustande gekommen ist das Projekt durch einen Künstleraustausch am Bodensee "Salem 2 Salem". Julia Wenz und ich haben dort zwei Künstler aus Rochester kennengelernt. Sie haben uns erzählt, wie es dort nun aussieht und was der Niedergang von Kodak für Rochester bedeutete. Wir kamen dann darauf, dass es in Stuttgart-Wangen auch einen bedeutenden Kodak-Standort gegeben hat – die Kamerawerke August Nagel, die später von Kodak aufgekauft wurden. Dort arbeiteten damals tausende Menschen. Heute ist dort Kodak Alaris, die die Automaten beispielsweise in Drogeriemärkten betreuen.

Und mit diesen Eindrücken sind Sie nach Rochester gefahren?

Wir gingen dort auf Spurensuche, wir wollten aber nicht nur einfach Objekte zusammentragen, wir wollten die Atmosphäre einfangen. Wir sind in Rochester in den Visual Studies Workshop gegangen. In dem Archiv haben wir tausende Bilder gescannt und auch die Erlaubnis bekommen, sie für eigene Werke zu verwenden. Dort haben wir dann bereits eine Ausstellung gemacht.

Wie soll sich das Projekt weiterentwickeln?

Wir planen eine große Ausstellung direkt in Wangen im August oder September. Sie soll aufgebaut sein wie ein echtes Fotogeschäft. Wir stellen dort unsere eigenen Kunstwerke aus. Wir haben aber auch acht weitere Künstler gebeten, ihre eigene Sicht auf Kodak darzustellen. Bei meinen Werken handelt es sich um Fotografien. Sie sind stark nachbearbeitet, denn ich habe das Ziel Malerei und Fotografie miteinander zu verbinden. Julia Wenz hat sich auf Installationen und Collagen spezialisiert. Es gibt auch bereits ein Blog zum Projekt.

Was bekommen die Besucher noch zu sehen?

Die Kunstwerke sollen nicht allein im Vordergrund stehen. Der Betrachter soll ja in den Fotoladen kommen und denken: "Hä? Das gibt es noch?" Wir zeigen alte Kameras, alte Werbefilme und eine Diashow mit Werbeplakaten. Ein Mitarbeiter wird Vorträge über Kameratechnik halten. Außerdem haben wir eine Vitrine mit Werbegeschenken von einem Mitarbeiter bekommen. Da steht alles drin: Kodak-Sekt, Kodak-Bier, Nippes. Alles, was wir zusammengetragen haben, basiert auf dem Engagement ehemaliger Mitarbeiter. Kodak selbst hat nur noch kleine Bestände. Einige Sachen haben wir auch bei Ebay zugekauft. Unsere Ausstellung wird ein Puzzle, das das Banale mit Kunst im besten Sinne zusammenbringt.

Sie nehmen seit einigen Jahren an den Sony World Photography Awards teil. Wie wichtig sind solche Fotowettbewerbe für Sie als Berufsfotograf?

Fotowettbewerbe sind ein gutes Mittel, die eigenen Arbeiten zu reflektieren und sie in einen Kontext zu stellen. Arbeiten aber explizit für einen Wettbewerb zu erarbeiten, ist für mich nicht denkbar. Passt eine Serie zu den Anforderungen eines Wettbewerbs und überzeugt dieser durch beispielsweise eine namhafte Jury, reiche ich Bilder ein. Da ich ausschließlich in Serien arbeite, kommen auch nur solche Wettbewerbe in Frage, die dies berücksichtigen. Ein Gewinn kann dann in kurzer Zeit eine enorme Öffentlichkeit erzeugen und gerade auch durch eine hochkarätige Jury Türen öffnen.

SWPA 2015: Profi-Wettbewerb (16 Bilder)

Aerial Views Adria

Der deutsche Fotograf Bernhard Lang gewinnt mit Fotos aus seiner Serie "Arial Views" in der Profi-Kategorie "Reisen". Aufgenommen wurden die Gewinnerbilder im August 2014.

(Bild: Bernhard Lang, Germany, Shortlist, Travel, Professional Competition, 2015 Sony World Photography Awards)

Die Bilder, die Sie in diesem Jahr zu den Sony World Photography Awards eingereicht haben, stammen aus der Serie "Review".

Aus der Serie Review

(Bild: Copyright Peter Franck, Deutschland, courtesy of SWPA 2015)

Es ist eine Serie an der ich schon, parallel zu anderen, sehr lange arbeite. Stillleben sind fest verankert in der Kunstgeschichte und somit ideal, die Intention einer Verbindung von Fotografie mit Malerei zu verbildlichen. Diese Arbeit spielt mit dem Genre und versucht, einen neuen Blick zu generieren. Die Kombination von Bildern – dem Bild im Bild – erlaubt Zeitsprünge. Geschichten werden angerissen und verschiedene Ebenen lassen verschiedene Interpretationen zu. Wie Kulissen warten die Räume auf Geschichten, die in der Fantasie des Betrachters zum Leben erweckt werden können. Die Botschaft aber sollte wie bei jedem Kunstwerk sein, eine größtmögliche Freiheit darzustellen und Türen zu öffnen, die Welt auf eine neue Weise zu sehen.

Ein wenig erinnern die Bilder an das derzeit angesagte Spiel mit Retro-Filtern á la Instagram. Wie falsch oder richtig liege ich mit dieser Einschätzung?

Ich verwende fast ausschließlich selbst hergestellte Filter. Der angespochene Filter wurde aus 6x6-Dias meiner analogen Zeit hergestellt. Dieser Filter nimmt den Bildern die digitale Härte und fungiert ebenfalls als "Signatur". Instagram verwende ich in meinen Bildern nicht, aber ich mache daraus auch keinen Glaubenskampf. Der Retro-Charme der Bilder ist hier natürlich als Stilmittel bewusst eingesetzt und unterstreicht den Zeitsprung, der den Bildern innewohnt.

(ssi)