Justizministerium will Patent-Trollen entgegenwirken

Das Schwert der Unterlassungsansprüche in Händen von Patentinhabern soll durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung etwas entschärft werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 51 Kommentare lesen
Europäisches Patentamt: Patentprüfer rebellieren wegen Qualitätsverlusten

(Bild: Feng Yu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das Bundesjustizministerium will Unternehmen besser vor ungerechtfertigten Unterlassungsanordnungen in Patentstreitigkeiten schützen. Der Gesetzgeber soll dazu sicherstellen, dass die rechtlich bereits bestehende Möglichkeit, Verhältnismäßigkeitserwägungen beim Unterlassungsanspruch zu berücksichtigen, auch praktiziert wird.

Derzeit können bei Patentverletzungen Betroffene gegen den Verursacher Unterlassung beanspruchen. Dies kann dazu führen, dass ein angeblich patentverletzendes Produkt mehrere Jahre lang vom Markt genommen werden muss. Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) spricht daher in einer Stellungnahme von einem "existenzvernichtenden Potenzial" solcher Klagen. Patentinhaber könnten so "Markteilnehmer zum Abschluss von für sie unvorteilhaften Vergleichen bewegen".

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Fall Wärmetauscher von 2016 gilt zwar prinzipiell bereits, dass eine gerichtliche Verfügung nicht ergehen darf, wenn es eine "unverhältnismäßige Härte" darstelle, den Unterlassungsanspruch des Verletzten auch unter Berücksichtigung seiner Interessen durchzusetzen und daher "treuwidrig" wäre. Die angeführten Kriterien sind aber wachsweich. Das leichte Korrektiv ist bei den niederen Gerichten zudem bislang kaum zum Tragen gekommen.

Das Justizministerium will mit seinem am Dienstag veröffentlichten Referentenentwurf für ein "Zweites Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts" daher nun in Paragraf 139 Patentgesetz klarstellen, dass ein Unterlassungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn das Ausschließlichkeitsrecht im besonderen Einzelfall zu ungerechtfertigten Nachteilen führen würde. Dann könne der in seinem Verwertungsrecht Verletzte einen angemessenen Geldausgleich verlangen. Dazu komme ein etwaiger Schadensersatzanspruch.

Der App-Entwickler und Patent-Blogger Florian Müller spricht von einer "spektakulären Wende": Für Konzerne wie Siemens, Nokia, Ericsson, die Pharmaindustrie sowie "Patent-Trolle wie Sivel und Fraunhofer" deute sich eine "massive Niederlage" an. Die neue Formulierung gehe weit über den Ansatz aus dem Diskussionsentwurf vom Januar hinaus. Damit hatte das Ministerium zwar auch bereits eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ins Spiel gebracht, diese aber allein an die BGH-Kriterien "der Gebote von Treu und Glauben" und eine "nicht gerechtfertigte Härte" geknüpft.

Besondere Aufmerksamkeit hat der patentrechtliche Unterlassungsanspruch jüngst etwa durch eine Patentklage von Nokia gegen Daimler erfahren. Das Landgericht Mannheim sah es in dem Prozess, den das Bundeskartellamt noch zu verzögern suchte, als erwiesen an, dass der Autobauer mit bestimmten Telematik-Einheiten seiner Fahrzeuge einen gewerblichen Rechtsschutz von Nokia auf einen Mechanismus der Synchronisation in Mobilfunknetzen verletzte.