Killerkriterium Reichweite - VW bleibt bei E-Autos in Lauerstellung

Nach Daimler und BMW läutet auch Volkswagen das Elektrozeitalter ein. Von Euphorie ist aber keine Spur. Weiter überwiegt die Unsicherheit, wann überhaupt ein nennenswerter Markt wächst.

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Von
  • Heiko Lossie
  • dpa

Im jüngsten Kapitel der automobilen Geschichte steckt noch manche Tücke. Gut 125 Jahre nach Erfindung des Automobils mit Verbrennungsmotor sollen Akkus den Sprit ersetzen. Volkswagen fährt dafür nun die Elektrovariante des Kleinwagens Up an den Start. Der E-Up kommt überraschend rasant in die Gänge, Geräusche machen nur Reifen und Fahrtwind. Doch jedes Vollgasgeben raubt die Reichweite, defensives Fahren ist bei dem akkubetriebenen Viersitzer oberstes Gebot – obwohl er mit seinen 82 PS auch ganz anders zu bewegen wäre. Aber schon nach rund 150 Kilometern muss das Auto wieder für Stunden an eine Steckdose. Da zählt halt einfach jeder eingesparte Kilometer.

VW bleibt bei E-Autos in Lauerstellung (4 Bilder)

E-Smart

"Ja, die Reichweite ist ein Killerkriterium", räumt Rudolf Krebs ein, Beauftragter für die E-Antriebe im Konzern. Statistiken besagten zwar, dass sich 80 Prozent aller Autofahrten täglich über höchstens 50 Kilometer erstreckten. Doch es bleiben eben die Ausnahmen.

Und die begrenzten Reichweiten, mit der an keine Urlaubsfahrt zu denken wäre, sind auch nicht der einzige Haken an der Sache. Mit dem E-Up lässt Europas größter Autobauer Volkswagen das Zeitalter der abgasfreien Fahrt bei einem Einstiegspreis von 26.900 Euro starten. Ein Up mit normalem Verbrenner kostet ohne Extras keine 10.000 Euro.

Viel zu teuer also, der E-Up? Aus Kundensicht womöglich schon, nicht aber aus Sicht des Konzerns. "Dieses Produkt ist recht knapp kalkuliert, damit wir in den Markt kommen", sagt Krebs. Über Rendite will er nicht reden, sagt nur: "Die Stückzahlen werden kommen, und dann werden auch unsere Margen auskömmlicher." Großes Geldverdienen hört sich anders an. Krebs rechnet damit, dass der Konzern 2018 rund 100.000 reine E-Autos verkaufen könnte. Auf Basis heutiger Planungen wäre das gerade einmal ein Prozent vom konzernweiten Jahresabsatz.

Die Bundesregierung glaubt dagegen an eine Million Stromer auf deutschen Straßen bis zum Jahr 2020 – ein Ziel, das angesichts der defensiven Einschätzungen des Marktführers VW kaum zu halten scheint, auch wenn die Regierung für ihr Millionenziel Hybridantriebe mitzählt und für 2020 nur von 450.000 rein akkubetriebenen Autos ausgeht.

Dabei treibt das Thema Elektrifizierung die Branche um wie kaum ein zweites. Strikte Abgasnormen der EU für die CO2-Werte der Flotten sind eine gewichtige Triebfeder. Die jedoch trifft Premiumhersteller wie Mercedes oder BMW mit ihren schweren Luxuslimousinen weit härter als den VW-Konzern, der auch mit kleineren Wagen Masse macht.

Und VW lässt sich beim Thema E-Autos auch sonst nicht treiben. Der Vorwurf, die Wolfsburger seien nach Daimler (E-Smart) und BMW (i3) hinten dran, lässt Krebs nicht gelten. "Das haben wir ja schon öfter gehört", sagt er und fügt grinsend an: "Richtig viel versäumt haben wir ja noch nicht." Der Markt öffne sich schließlich gerade erst.

Branchenexperten fern des Konzerns sehen das genauso. "Im Moment ist Elektromobilität etwas für Zweit- und Drittwagenbesitzer, die Geld haben und eine Garage mit Stromanschluss", sagt Fachmann Prof. Stefan Bratzel. Das Thema werde sich über Jahre langsam anlassen.

Volkswagen sieht sich dabei in einer komfortablen Situation, dem jungen Zauberwort des Konzerns sei Dank: Baukästen. Per Lego-Prinzip sind die akkubetriebenen Antriebe in die Modelle zu integrieren, die vor allem noch mit Dieseln und Benzinern von den Bändern laufen. Der E-Up etwa wird in Bratislava zusammen mit dem herkömmlichen Up gebaut. Sollte die Nachfrage also wider Erwarten rasch anziehen, kostet VW das nur Mausklicks in der Lieferantenorder.

Wann die Konzerntöchter Seat oder Skoda – sie haben alle ähnliche Modelle wie den Up – auch E-Varianten anbieten, ist laut Krebs noch unklar. Mit dem Lego-Prinzip sei der Vorlauf gering. Zunächst werde es bei der Kernmarke mit dem VW-Logo elektrisch: Auf der IAA zeigen die Wolfsburger erstmals auch ihren E-Golf. Dessen Preis stehe noch nicht fest. "Wir rechnen noch", sagt Krebs. Der i3 vom Konkurrenten BMW beginnt bei knapp 35.000 Euro. Absatzziele für den Golf will er nicht wagen. Wichtiger als Stückzahlen sei ohnehin Kundenakzeptanz. "Wir haben ja auch einen Namen zu verlieren", meint Krebs. (anw)