Konferenz AAMAS: Wie Autonome Fahrzeuge besser auf Fußgänger achten können
In "Shared Spaces", wo sich alle Verkehrsteilnehmer eine Fläche ohne Straßenmarkierungen oder Verkehrsschilder teilen, wird es für autonome Fahrzeuge schwierig.
Fußgänger sind lästig, jedenfalls aus der Perspektive von Autos: Sie laufen kreuz und quer durcheinander, schauen sich selten um und zeigen beabsichtigte Richtungsänderungen nicht an. Auf Hauptstraßen, wo die Verkehrsströme von Fahrzeugen und Passanten voneinander getrennt sind und die Fußgänger die Fahrbahn nur an besonders markierten Stellen kreuzen, lässt sich das Miteinander noch einigermaßen regeln.
In "Shared Spaces" dagegen, wo sich alle Verkehrsteilnehmer eine Fläche teilen, ohne Bodenmarkierungen oder Verkehrsschilder, wird die Angelegenheit schwieriger. Französische Forscherinnen haben jetzt untersucht, wie sich autonome Fahrzeuge auch in einem solchen Kuddelmuddel sicher bewegen können.
Herausforderung für Shared Spaces
Um das Konzept des Shared Space ist es in den letzten Jahren ruhiger geworden. Es widerspricht der seit Jahrzehnten etablierten Ausrichtung der Verkehrsplanung an den Bedürfnissen des Autoverkehrs und erfordert auch von den Fußgängern ein erhebliches Umdenken, da sie stärker als bisher auf die Verkehrssituation um sich herum achten müssen.
In ihrem Beitrag zur Konferenz AAMAS (Autonomous Agents and Multiagent Systems) verweisen die vier Wissenschaftlerinnen um Manon Prédhumeau (Université Grenoble Alpes) auf Studien, die in Shared Spaces eine Senkung der Unfallzahlen beobachtet haben. Für autonome Fahrzeuge stelle eine solche Umgebung aber aufgrund der vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten der übrigen Verkehrsteilnehmer eine besondere Herausforderung dar, der sie im Rahmen des Projekts HIANIC (Human Inspired Autonomous Navigation In Crowds) nachgehen.
Social Force Model kombiniert mit Entscheidungsmodell
Um die Bewegungen der Fußgänger in einem Shared Space zu modellieren, stützen sich Prédhumeau und ihre Kolleginnen zum einen auf das Social Force Model. Die Motivationen der einzelnen Agenten werden darin wie physikalische Kräfte betrachtet: Von dem Ziel, das sie anstreben, geht eine Anziehungskraft aus, Hindernisse auf dem Weg wirken dagegen abstoßend. Dieses Modell könne jedoch nur weiter entfernte Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmern erfassen, erklären die Forscherinnen.
Es müsse daher mit einem Entscheidungsmodell kombiniert werden, das die Reaktionen auf unmittelbar drohende Kollisionen steuert: Ausweichen, wenn ein Fahrzeug von vorne oder hinten kommt, stoppen oder beschleunigen, wenn es von der Seite kommt. Zudem gelte es, das Gruppenverhalten zu berücksichtigen. Viele Fußgänger bewegten sich nicht allein, sondern in Gruppen, weswegen eine weitere Kraft eingeführt werden müsse, die solche Gruppen zusammenhalte.
Der Vergleich mit real beobachteten Bewegungen von Fußgängern zeigte, dass dieses hybride Modell deren Verhalten besser simulierte als das reine Social Force Model. So konnte es bestimmte Verhaltensweisen erfassen, die dem Social Force Model entgingen: Rennen, um vor dem sich nähernden Fahrzeug den Weg zu kreuzen; Stehenbleiben, um es vorbeizulassen; in der Gruppe zusammenbleiben, während das Fahrzeug vorbeifährt.
Änderungen im Verhalten der Fußgänger
Zukünftig wollen die Forscherinnen die Parameter des Modells (bevorzugte Laufgeschwindigkeit, Sicherheitsabstände, Wahrnehmungszonen, etc.) weiter verfeinern und die Diversität der einzelnen Agenten und Gruppen erhöhen. Sie geben zu bedenken, dass es bislang nur wenig Beobachtungsdaten zum Verkehrsgeschehen in Shared Spaces gebe. Zudem dürfte sich das Verhalten von Fußgängern ändern, je mehr sie sich an autonome Fahrzeuge gewöhnen, wie sich auch die Fahrzeuge ihrerseits an die Fußgänger anpassen werden. Inwieweit das hier vorgestellte Modell einem autonomen Fahrzeug helfen kann, sicher durch unstrukturierte Menschenmengen zu navigieren, soll in einem nächsten Schritt zunächst in Simulationen getestet werden.
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(bme)