Kraftwerk vs. Pelham: Bundesgerichtshof rätselt über Pastiches
Moses Pelham hat Ende des vorigen Jahrtausends eine Rhythmussequenz der Gruppe Kraftwerk verwendet. Ob zulässig, hat der BGH weiterhin nicht entscheiden können.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Urheberrechtsstreit zwischen der Musikgruppe Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham um eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz des Stücks "Metall auf Metall" noch nicht beendet. Vielmehr hat der BGH, der sich nun zum vierten Mal mit dem Fall befasste, erneut den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) angerufen, um von ihm klären zu lassen, welche rechtlichen Konsequenzen sich im Zusammenhang mit einem "Pastiche" ergeben.
Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts revidiert, wie es die Kläger beziehungsweise deren Rechtsnachfolger wünschen. Dieses hatte befunden, dass die Übernahme der Rhythmussequenz eine zulässige Nutzung zum Zwecke des Pastiches ist.
Der Begriff Pastiche taucht in der EU-Urheberrechtslinie von 2021 auf, auch in der Umsetzung in das deutsche Urheberrecht. Dort heißt es in Paragraph 51a, die Vervielfältigung, Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes sei zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches zulässig, auch wenn es durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt sei.
Keine Karikatur, keine Parodie
So wie die Rhythmussequenz in dem von Pelham produzierten und von Sabrina Setlur seit 1997 dargebotenen Lied "Nur mir" verwendet wird, handele es sich nicht um eine Karikatur oder Parodie, meint der BGH. Dazu mangele es dem Lied zu sehr an Humor oder Verspottung. Bleibt als drittes und letztes Kriterium der Zulässigkeit in dem Paragraph die Nutzung als Pastiche. Dabei ist für den BGH fraglich, ob es für diese auch in Samplings einschränkende Kriterien wie Humor, Stilnachahmung oder Hommage gibt.
Pelham hatte die kurze Kraftwerksche Rhytmussequenz als Sampling verlangsamt als Endlosschleife unter das Setlur-Stück gelegt und dafür nicht um Erlaubnis gebeten. Der Kraftwerk-Mitgründer Ralf Hütter ging 1999 vor Gericht.
Die Frage, ob Musiker und Produzenten von Urhebern genehmigt bekommen müssen, wenn sie fremde Samples benutzen, ging durch alle Instanzen, auch schon einmal vor den EuGH. Dieser reichte den Fall an den BGH zurück, mit der Einschätzung, ein Sample könne ohne Genehmigung verwendet werden, wenn es gar nicht mehr als Original-Sample erkennbar sei oder wenn es direkt auf das Original Bezug nimmt, also zitiert.
Der BGH meint nun, "die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine Schranke für die Kunstfreiheit zu verstehen sein". Sie könne notwendig sein, weil der Kunstfreiheit nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann, auch nicht durch die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat.
"Pastiche" schon länger unklar
Dabei steht für den BGH nicht zur Frage, ob es sich beim Sampling, dem "Elektronischen Kopieren von Audiofragmenten", um eine künstlerische Ausdrucksform handelt. Vielmehr ist für den BGH fraglich, ob feststellbar sein sollte, wenn ein Nutzer ein urheberrechtlich geschützten Gegenstand als Pastiche nutzen will oder ob es ausreicht, wenn der Charakter als Pastiche für jene erkennbar ist, die den betreffenden Gegenstand kennen und das dafür nötige intellektuelle Verständnis besitzen.
Der Begriff Pastiche war Experten schon unklar und kritikwürdig, bevor er in das deutsche Urheberrecht einging. Der Kölner Urheberrechtler Karl-Nikolaus Peifer sagte im April 2021: "Keiner weiß, was das ist." Es werde möglicherweise dem EuGH obliegen, die hierzulande aufgestoßene "ganz weite Tür" enger auszulegen. Dieser Fall wird wohl nun eintreten.
(anw)