Lenke ab und herrsche: Zensur und Propaganda in China

Seite 3: Zensoren akzeptieren keine Kritik an Zensur

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Die Forscher zeichnen also ein Bild der chinesischen Zensur, das dem allgemeinen Verständnis teilweise diametral widerspricht. Anders als oft angenommen, kann Kritik am Regime durchaus geäußert werden und auch online bleiben. Solange die Vertreter der Staatsführung keine Gefahr sehen, dass sich Menschen als Folge der Beiträge organisieren, werden sie nicht aktiv. Einzige Ausnahme ist die Arbeit der Zensoren selbst. Kritik daran löschen die und geben sich damit in Bezug auf ihre Arbeit repressiver als die politische Führung. Der könnte durchaus daran gelegen sein, von Kritik etwa an lokalen Beamten zu erfahren. Durch eine Reaktion darauf kann sie verhindern, dass sich die lokale Unzufriedenheit zu sehr aufstaut.

Gleichzeitig wird deutlich, dass der chinesische Staat die immense Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Internetkontrolleure weniger zur Zensur als zur Ablenkung benutzt. Von den rund 80 Milliarden jährlichen Einträgen in Chinas nicht-staatlichen sozialen Netzwerken werden der Untersuchung zufolge mehr als 200 Millionen im Auftrag der Regierung abgesetzt. Die Staatsangestellten werden dabei mit verblüffender Präzision gesteuert und sollen Nutzer vor allem zu jenen Zeiten ablenken, in denen Debatten zur Gefahr für das Regime werden könnten. Auch in China hat ein Tag nur 24 Stunden und jeder Chinese, der im Internet surft, verbringt seine Zeit nicht auf Demonstrationen.

Hier zeigt sich, wie ausgeklügelt die chinesische Zensur und Propaganda zusammenarbeitet, um Gefahren für das Regime im Keim zu ersticken. Menschen einfach das Wort abzuschneiden, funktioniert nur begrenzt. So war es etwa während der jüngsten Revolution in Ägypten ein einschneidender Moment, als das Internet abgedreht wurde. Um zu erfahren, was vor sich geht, mussten die Bürger danach auf die Straße gehen, viele zog es auf Kairos Tahrir-Platz, wo der Sturz des Staatschefs angestoßen wurde. Aus solche Beispielen lernen Autokraten in aller Welt. Peking hatte die Lektionen aber schon vorher verstanden und lenkt die Massen ab, anstatt sie zum Schweigen zu bringen. (mho)