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Mehr Business, weniger Rummel: CeBIT stellt sich für 2008 neu auf

Mit einem "Paradigmenwechsel" will die Computermesse ihre Identitätskrise überwinden und die Branche wieder verstärkt nach Hannover holen.

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Als "Paradgimenwechsel" kündigte Messe-Vorstandsmitglied Ernst Raue das neue Konzept für die CeBIT an, mit dem der Besucher- und Bedeutungsschwund der ehemals so stolzen IT-Ausstellung ab 2008 gestoppt werden soll. Die Ausrichtung der Messe soll sich grundlegend ändern: Weg von der produktgetriebenen Neuheitenschau zu einem Forum, auf dem innovative Lösungen und Anwendungen im Vordergrund stehen. Die CeBIT will die Interessen ihrer Besucher stärker berücksichtigen und Themen besetzen, die maßgeblich für die Entwicklung der IT-Industrie sind.

Mit Besuchern meinen die Messe-Macher vorwiegend Fachleute, sie sollen die CeBIT wieder mehr als das wichtigste Branchenereignis des Jahres verstehen. Raue will mehr Business, weniger "Rummel" und dem einzelnen Besucher mehr Orientierung bieten. Die Fokussierung auf Fachbesucher drückt sich auch in der Verkürzung um einen Tag und der Verschiebung des Messebeginns aus. Künftig soll die CeBIT Dienstag bis Sonntag stattfinden, 2008 zum ersten Mal in diesem Zeitrahmen vom 4. bis 9. März. Dienstag bis Freitag sollen Business-Besucher den Ton angeben, an den Wochenden steht der Fokus auf Mittelstand und Publikum. Damit kommt die Messe den Forderungen der Industrie entgegen, die sich eher auf einer "Spiele- und Unterhaltungsmesse" wähnte und über mangelndes Profil sowie hohe Kosten klagte.

Weniger Kirmes-Atmosphäre wird es schon 2007 geben, auch ohne strategische Neuausrichtung. Denn mit Motorola, Nokia, BenQ und Shuttle bleiben Unternehmen weg, die mit großem Aufwand auch für den lauten CeBIT-Glitzer gesorgt haben. Auch dank dieser Absagen wird die Messe in diesem Jahr etwa 10 Prozent weniger Ausstellungsfläche haben. Dem Veranstalter Deutsche Messe AG verhagelt das die Jahresbilanz. Doch ist die CeBIT immer noch die größte IT-Messe und der wichtigste Branchentreffpunkt der Welt, lautet das Mantra in Hannover. Von 434.000 Besuchern 2006 seien fast ein Viertel aus dem Ausland gekommen, der Fachbesucheranteil habe bei 85 Prozent gelegen. Dennoch halten auch die Macher eine Neuausrichtung für dringend geboten.

Bei der Vorstellung des neuen Konzepts am heutigen Dienstag in Hannover will von Krise niemand sprechen. "Die CeBIT ist mehr als eine Messe", sagt Vorstandsmitglied Raue, sie sei Gastgeber der digitalen Welt. Knapp 6000 Aussteller aus 70 Ländern erwartet Raue in diesem Jahr. "Das ist zwar weniger als 2006, aber dennoch über Plan". Für den Schwund in der Fläche hat der Messe-Mann einfache Erklärungen: Die Ausstellungsstücke würden immer kleiner, Fusionen führten zu weniger Buchungen. Doch beunruhigt ihn nicht, dass Fläche für das Unternehmen auch gleichbedeutend mit Umsatz ist. Die Fläche, lautet Raues Prognose, werde in Zukunft weniger ein Maßstab für seine Branche sein als die Anzahl der gezeigten Lösungen.

In Zukunft soll die CeBIT auf drei Säulen ruhen: "Business", dem Kernbereich der Messe, "Public Sector" für Fachbesucher aus den öffentlichen Verwaltungen und "Residential" für Handel und Handwerk. Das Fundament der drei Messebereiche bilden neue Technologien, die stets anwendungsorientiert vorgestellt werden sollen. Die CeBIT soll sich künftig an Anwendungsanforderungen und Lösungen konzentrieren sowie die "Megatrends" der Branche herausstellen und mitprägen. Die angeführten Schwerpunkte wie Konvergenz oder die Allgegenwart der Informationstechnologie ("Ubiquität") sind dabei nicht wirklich neu, Themen wie UMTS, VoIP, IPTV und RFID kennen CeBIT-Besucher schon aus den vergangenen Jahren.

Die rasende Entwicklung dieser Technologien soll aber dafür sorgen, dass die Messe ihren Status als Innovationsmaschine nicht verliert. Große Innovationen der vergangenen Jahre wurden auf der Messe erstmals gezeigt, erinnert sich Raue und nennt "Fax, Laptop und PDA". Die sind schon etwas in die Jahre gekommen, aber auch jüngere Trends wie VoIP hatten auf der CeBIT ihre Premiere. Doch gerade bei den sich schnell entwickelnden Mobiltechnologien und der Unterhaltungselektronik hat die CeBIT mit den kurz vorher stattfindenden 3GSM World in Barcelona und CES in Las Vegas sowie der inzwischen jährlich vor dem Weihnachtsgeschäft gut positionierten Berliner IFA ernsthafte Konkurrenz.

Die CeBIT will in diesem Wettbewerb bestehen und mit dem Umbau beweisen, dass sie auch in Zukunft eine herausragende Rolle für die Branche spielen werde. Dann, meinte Messe-Vorstand Raue, kämen auch die abgesprungenen Unternehmen wieder zurück. Erste Gespräche darüber würden bereits geführt. Auch der Industrieverband ist mit dem Plan für 2008 zufrieden. Bitkom-Präsident Willi Berchtold erklärte, das Konzept entspreche dem, "was wir erwartet haben". Kürzer, knapper und die Kosten effektiv runter. "Eine moderne Messe muss sich rechnen, auch für die Aussteller, und sie muss bestehen im Wettbewerb mit anderen Marketing- und Vertriebsinstrumenten." Die Hotels in Hannover, zu CeBIT-Zeiten immer mit phantasievoller Preisgestaltung aufgefallen, wollen dazu beitragen. Sie sollen der Messe AG eine deutliche Mäßigung versprochen haben. (vbr)