Messenger: Monopolkommission gegen Interoperabilitätspflicht
Eine politisch verordnete Interoperabilität von Messengern habe mehr Nach- als Vorteile, meint die Monopolkommission und warnt vor "Überregulierung".
Die Monopolkommission erteilt den derzeitigen politischen Bemühungen, die Anbieter von Messengerdiensten an die Kandare zu nehmen, eine klare Absage. In ihrem am Donnerstag vorgestellten Sektorgutachten Telekommunikation warnen die Berater der Bundesregierung vor einer "Überregulierung" der sogenannten "Over the Top"-Anbieter (OTT). Die von der Bundesnetzagentur und auf EU-Ebene vorangetriebene Verpflichtung zur Interoperabilität hält die Monopolkommission für wettbewerbsschädlich.
"Solche Interoperabilitätsverpflichtungen sind aktuell abzulehnen, da sie derzeit mehr Nachteile als Vorteile für den Wettbewerb verursachen würden", erklärte der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Kühling, bei der Vorstellung des Gutachtens. Die Menschen nutzten "mehrere Dienste bewusst parallel". Alle Anbieter dazu zu zwingen, dass ihre Messenger auch mit allen Konkurrenzdiensten kommunizieren können, sei "unverhältnismäßig und wettbewerbsschädlich".
"Mehr Nach- als Vorteile"
Eine solche Pflicht raube den kleineren Anbieter die Möglichkeit, sich etwa mit besonderen Funktionen oder einem besonders hohen Datenschutzstandard von den großen Anbietern abzusetzen und im Wettbewerb zu profilieren, heißt es im Gutachten der Monopolkommission. Außerdem sei die fehlende Vernetzung der Messenger ein Wettbewerbsvorteil der klassischen Telekommunikationsanbieter, die so "als 'Rückfalloption' weiterhin nachgefragt" würden.
Auch für eine "asymmetrische Interoperabilitätsverpflichtung", der nur die marktmächtigen Anbieter unterliegen, hält die Monopolkommission derzeit nicht für geboten. Das sei "nur sinnvoll, wenn ein Marktversagen identifiziert" werden könne. "Eine solche Situation ist derzeit nicht erkennbar", heißt es weiter. Im Gegenteil sei der Markt derzeit "als sehr dynamisch, innovativ und bei den Geschäftsmodellen als ausdifferenziert anzusehen".
Politisch wird die Pflicht zur Interoperabilität derzeit auf mehreren Ebenen forciert. Die EU treibt die Vorgaben im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) voran, den am Mittwoch das Europaparlament abgenickt hat. Auch der Bund will eine Verpflichtung der Dienste einführen, die Bundesnetzagentur hat dazu einen Vorschlag zur Diskussion gestellt. Darüber hinaus wollen Politiker die Anbieter gerne auch für von Nutzern verbreitete Inhalte haftbar machen, wie der aktuelle Vorstoß gegen Telegram zeigt.
Die Monopolkommission empfiehlt darüber hinaus, den rechtlichen Status der Messengerdienste klarer zu regeln. Während nummerngebundene Dienste (Telefonie, SMS, SIP, Skype) inzwischen auch dem Telekommunikationsrecht unterliegen, wenn sie nicht auf einer klassischen Signalverarbeitung beruhen, sieht die Monopolkommission bei Messengern, Mulitifunktionsdiensten und etwa Computerspielen mit Chatfunktionen noch Unklarheiten. Sie empfiehlt, dabei von der Funktion für den Anwender auszugehen: Wird der Dienst als Konkurrenz zu Telefonie oder SMS wahrgenommen, ist es ein Telekommunikationsdienst und unterliegt gegebenenfalls der Regulierung.
Kostenbeteiligung fĂĽr "Recht auf Internet"?
Mit der jüngsten Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) unter der vorherigen Bundesregierung wurde ein Recht auf schnelles Internet eingeführt. Die Kosten, die etwa für den Bau eines auf Grundlage dieses Rechts eingeklagten Anschlusses entstehen, sollen aus einem Fonds beglichen werden, in den die Netzbetreiber einzahlen. Das Gesetz sieht vor, das zu dieser Finanzierung auch die OTT-Anbieter herangezogen werden könnten.
Die Monopolkommission sieht hier allerdings Probleme in der Umsetzung und zieht in Zweifel, ob die Ausgestaltung im TKG "die Vorgaben des Grundgesetzes hinsichtlich der Zulässigkeit von Abgaben wahrte". Durch die Einbeziehung der OTT-Dienste würden diese Unsicherheiten größer. Die Möglichkeit einer Einbeziehung nummernunabhängiger Telekommunikationsdienste in die Umlage sollte daher zurückgenommen werden, empfiehlt die Monopolkommission.
(vbr)