Microsoft-Prozess: Neue Vorwürfe, neue Verteidigung

Gates meint, die Zerschlagung Microsofts würde eine neue großartige Softwaregeneration unmöglich machen; die US-Regierung wirft Microsoft nun auch unfaire Taktiken gegen PDA-Konkurrenten vor.

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Von
  • Jürgen Kuri

In einer jahrelangen juristischen Abwehrschlacht will Microsoft seine drohende Zerschlagung verhindern. Die US-Regierung hatte am Freitag nach Börsenschluss gerichtlich beantragt, den weltgrößten Softwarehersteller in je ein Unternehmen für Betriebssysteme und für Anwendungsprogramme wie den Internet-Browser und Word zu spalten. Es wäre die härteste Maßnahme in einem US-Wettbewerbsprozess seit der Aufspaltung des Telefonkonzerns AT&T (Ma Bell) in regionale Baby Bells 1982. Nach einer Anhörung am 24. Mai will Richter Thomas Penfield Jackson das Strafmaß im Sommer verkünden.

"Wir befinden uns mit hoher Wahrscheinlichkeit erst im ersten Drittel eines Gesamtverfahrens", sagte der Chef von Microsoft Deutschland, Richard Roy, der Tageszeitung Welt. Microsoft kündigte außerdem in den USA für den 10. Mai eine Erwiderung auf die "völlig überzogenen" und "zerstörerischen" Forderungen an, die "in keinem Verhältnis zu den unbewiesenen Vorwürfen" stünden. Bill Gates warnte, die Verwirklichung des Plans würde die Entwicklung einer neuen "großartigen" Softwaregeneration unmöglich machen. Die Verbraucher würden die Aufteilung von Microsoft "schmerzlich spüren". Dagegen sprach die Justizministerin Janet Reno von einer "richtigen Maßnahme zur rechten Zeit". Sie würde den Wettbewerb beleben, die Innovation fördern und den Verbrauchern neue und bessere Wahlmöglichkeiten geben.

Die US-Regierung untermauerte ihren Zerschlagungsantrag in Dokumenten, die den Strafantrag stützen sollen, mit neuen Vorwürfen. Danach soll Gates versucht haben, Firmen wie den PDA-Hersteller Palm zu schädigen, um Windows CE und Windows als Integrationsplattform für elektronische Organizer zu fördern. Microsoft sah nach den Dokumenten der US-Regierung die PDAs als Angriff auf das eigene Betriebssystem-Monopol an, da sie die führende Position des PCs bei der Computer-Hardware gefährden könnten. Microsoft warf der Regierung deshalb vor, "einen völligen neuen Rechtsstreit führen" zu wollen, "der Produkte, Konkurrenten und Interessen mit einbezieht, die in keiner Weise in dem Fall, der verhandelt wurde, beteiligt waren."

Der Richter Jackson hatte bereits am 3. April Microsoft in den so genannten Conclusions of Law des Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht für schuldig befunden. Nach einer Anhörung am 24. Mai und der Festsetzung des Strafmaßes im Sommer wird Microsoft in die Berufung gehen. Um Berufungsmöglichkeiten einzuschränken, schlägt die Regierung vor, dass die Microsoft-Manager selbst einen Plan für die Aufspaltung erarbeiten. Dieser Plan solle vier Monate nach Jacksons Urteil vorliegen, aber erst nach dem Berufungsverfahrens umgesetzt werden. Allerdings sollen schon vorher strikte Auflagen für Microsoft gelten. So soll Microsoft Programmierschnittstellen und Quellcodes offen legen, die anderen Firmen das Schreiben von Software zur Integration in Window ermöglichen würden. Jegliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Computerhersteller, die konkurrierende Produkte empfehlen oder benutzen, sollen verboten sein. Zudem sollen die PC-Produzenten in die Lage versetzt werden, Windows entsprechend den Verbraucherwünschen zu verändern. So sollen Funktionen weggenommen und dem Kunden dadurch billigere Produkte angeboten werden können. Beantragt wurden außerdem einheitliche Lizenz- und Preisbedingungen für Computerhersteller. Damit soll verhindert werden, dass die Preisfestsetzung zur Abstrafung von Firmen benutzt wird, die Konkurrenzprodukte empfehlen. (jk)