Microsoft nutzt KaZaa als PR-Plattform

Der Redmonder Riese bewirbt und vertreibt Windows Media 9 über die Tauschbörse. Für beide Partner eine zweischneidige Angelegenheit.

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Microsoft fährt in seiner Strategie, sein neues Format für digitale Medien, Windows Media 9, publik zu machen, zweigleisig, und zwar offenbar in zwei entgegengesetzte Richtungen. Das Software-Unternehmen verteilt Werbevideos für sein Format über die Tauschbörse KaZaa, berichtet die Los Angeles Times in ihrer heutigen Ausgabe. Die Videos sind kurze Trailer für die Filme Tony Hawk's Boom Boom HuckJam und The Rules of Attraction. Außerdem hat der Redmonder Riese auf KaZaa Werbeflächen gekauft, um das "Boom-Boom"-Video anzupreisen.

Die Videos sollen nicht nur die Qualität von Microsofts Medien-Technik demonstrieren: Besorgt sich ein Tauschbörsennutzer einen der kurzen Filme und spielt ihn ab, holt sich die Media-Player-Software automatisch das Update auf Windows Media 9. Die Videos wurden von Altnet bei KaZaa eingeschleust; das Unternehmen versieht seine Songs und Videos mit DRM-Software von Microsoft. Altnet bekommt für die Verbreitung eine einmalige Summe und für jeden Download eine weitere Gebühr von Microsoft. Diese teilen sich Altnet und der Betreiber von KaZaa, Sharman Networks.

Über KaZaa laden sich nach Angaben der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie zu einem beliebigen Zeitpunkt durchschnittlich 3 Millionen Börsianer digitale Songs, Filme und Software auf ihren lokalen Rechner; insgesamt seien das monatlich 2,6 Milliarden Dateien. Im vorigen Jahr habe es 130 Millionen Mal Downloads der KaZaa-Software gegeben. Die Musikindustrie wird nicht müde, gegen solche Tauschbörsen zu wettern.

Deshalb könnte Microsoft mit seiner Strategie die Unterhaltungsindustrie vergraulen, denn der Softwareriese will Windows Media 9 vor allem bei den großen Labels und Hollywood-Studios andienen. Doch in Redmond findet man schnell ein Argument zur Rechtfertigung: Der Unterhaltungsindustrie soll gezeigt werden, dass die DRM-Funktionen in Windows Media 9 das "File-Sharing-Biest" zähmen könnten.

P. J. McNealy, Analyst bei Gartner, ist über die Microsoft-Strategie überrascht. KaZaa biete zwar eine günstige Möglichkeit, Windows Media 9 zu bewerben und zu verteilen. Doch habe die Angelegenheit einen faden Beigeschmack, denn es wirke so, als ob die Regierung mit Drogendealern zusammenarbeite. Schließlich würden die User ermutigt, Tauschbörsen weiter zu verwenden. Bertelsmann habe mit seinem Napster-Abenteuer zudem gezeigt, wie schwierig die Zusammenarbeit zwischen Inhalte-Anbietern und Tauschbörsen sein kann. Nun überlegt die US-amerikanische Musikindustrie sogar, wegen Verletzungen des Urheberrechts gegen Bertelsmann zu klagen.

Auch der neue Microsoft-Partner Sharman Networks ist mittlerweile gerichtsnotorisch. Derzeit läuft eine Klage der Recording Industry Association of America und der Motion Picture Association of America, die am 2. Dezember verhandelt werden soll. Laut Los Angeles Times ist ein Anwalt der Filmindustrie wegen der Partnerschaft von Microsoft und KaZaa zuversichtlich. Bislang hatte KaZaa immer behauptet, es sei nicht verantwortlich für Urheberrechtsverletzungen. Die Zusammenarbeit zeige aber, dass es sehr wohl möglich sei, über Tauschbörsen kontrolliert legale Inhalte zu verbreiten. So könnte Microsoft KaZaa ein Kuckucksei ins Netz gesetzt haben. (anw)