Microsofts Gewinn leidet unter der Vista-Verzögerung

Dass Windows Vista nicht rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft fertig wurde, hinterlässt Spuren in Microsofts Bilanz. Trotzdem aber kann der Konzern wieder einen Rekordumsatz verbuchen und die Prognosen übertreffen.

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Von
  • Jürgen Kuri

In wenigen Tagen hat Microsoft es erst einmal geschafft – Windows Vista wird offiziell auch für Endkunden ausgeliefert, und die drängenden Fragen von Investoren und Analysten, wann denn endlich das neue System für weiteren Schwung in der Bilanz sorgen wird, verstummen. Wohl aber nur, um der gespannten Erwartung an der Börse zu weichen, ob denn Vista wirklich die allenthalben erwartete beflügelnde Wirkung auf Microsofts Geschäftszahlen und eventuell auch den Aktienkurs haben wird – denn der dümpelt trotz immer neuer tiefschwarzer Bilanzen und Umsatzsteigerungen schon so lange in der Gegend zwischen rund 22 und knapp über 30 US-Dollar vor sich hin, dass einige Analysten von deutlicher Unterbewertung sprechen.

Im abgeschlossenen zweiten Quartal des Microsoft-Geschäftsjahrs jedenfalls musste Microsoft noch ohne Einnahmen durch die neue Windows- oder die neue Office-Version auskommen – und musste auch zumindest beim Gewinn einige Federn lassen. Es gab manche Erwartung, dass bei den Kunden eine "Warten-auf-Vista"-Haltung zu Kaufzurückhaltung führt und dies seine Spuren in der Microsoft-Bilanz hinterlässt. Die meisten Analysten in den USA hatten einen Rückgang bei den Gewinnen gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal erwartet, nun kam im zweiten Quartal des Geschäftsjahrs 2007 ein Nettogewinn von 2,63 Milliarden US-Dollar (26 US-Cent pro Aktie) zustande, dies bedeutet einen Rückgang von 28 Prozent gegenüber dem Nettogewinn von 3,65 Milliarden US-Dollar (34 US-Cent pro Aktie) im Vorjahr. Der operative Gewinn lag bei 3,47 Milliarden US-Dollar. Microsoft selbst hatte einen Nettogewinn von 22 bis 24 Cents und einen Umsatz von 11,8 bis 12,4 Milliarden US-Dollar prophezeit. Der Umsatz lag nun bei 12,54 Milliarden US-Dollar, verglichen mit 11,84 Milliarden US-Dollar im zweiten Quartal des Vorahrs ein Anstieg um sechs Prozent.

Microsoft weist bei den Ergebnissen darauf hin, dass es aber keineswegs eine Kaufzurückhaltung gegeben habe. Eine Verschiebung von 1,64 Milliarden US-Dollar Umsatz und 1,13 Milliarden US-Dollar Nettogewinn vom zweiten ins dritte Quartal habe stattgefunden. Dies sei vor allem auf das so genannte "Technology Guarantee Program" für Windows Vista und Office 2007 zurückzuführen: Im Weihnachtsgeschäft hatte Microsoft Coupons für Office 2007 und Vista ausgegeben, die beim Kauf von Windows XP oder Office 2003 verbilligte Upgrades garantierten, egal, ob man die Software solo oder zusammen mit einem Komplett-PC erwarb. Die in Verbindung mit der Couponausgabe möglichen Umsätze werden erst verbucht, wenn Vista ausgeliefert wird und die Kunden die Coupons einlösen. Nach Angaben Microsofts wäre der Umsatzanstieg gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozentpunkte höher ausgefallen, hätte es das Programm nicht gegeben.

So zeigt sich Microsofts Finanzchef Chris Lidell denn auch zufrieden: Die Ergebnisse hätten die Erwartungen des Managements in allen Bereichen übertroffen. PC- und der Servermärkte seien in gutem Zustand, und die kräftige Nachfrage bei Firmen und Endverbrauchern nach den Microsoft-Angeboten habe zu dem Umsatzanstieg geführt.

Mit Interesse dürfte auch die Ergebnisse im Bereich Entertainment and Devices (die nach der neuen Konzernstruktur sowohl die Spielesparte als auch die Embedded Devices umfasst) aufgenommen werden: Zum 31. Dezember hatte Microsoft, wie der Konzern bereits auf der Unterhaltungselektronikmesse CES erklärte, 10,4 Millionen Stück der Spielkonsole Xbox 360 ausgeliefert. Beim Umsatz konnte Microsoft in diesem Bereich auch kräftig zulegen, er stieg im Jahresvergleich von 1,69 auf 2,97 Milliarden US-Dollar. Die operativen Verluste wurden aber in diesem Quartal nicht weiter eingedämmt, sie lagen bei 289 Millionen US-Dollar nach einem Minus von 286 Millionen US-Dollar im Vorjahresquartal. Auch ein weiterer Bereich, auf den Microsoft seine Zukunft setzt, macht weiter Verluste: Die Sparte Online Services Business, unter anderem für Microsofts Live-Strategie zuständig, konnte zwar den Umsatz von 593 auf 624 Millionen US-Dollar steigern, gleichzeitig aber kam nun nach einem Gewinn von 58 Millionen US-Dollar im zweiten Quartal des Vorjahrs ein operativer Verlust von 155 Millionen US-Dollar zustande.

Die Sparte Client (alle Windows-Betriebssysteme für Desktop-Rechner) hatte naturgemäß am meisten unter der Vista-Verschiebung beziehungsweise dem Couponprogramm zu leiden: Der Umsatz ging von 3,43 auf 2,6 Milliarden US-Dollar zurück, der operative Gewinn sank von 2,66 auf 1,88 Milliarden US-Dollar. Im Bereich Server and Tools (Windows-Server, SQL-Server, Entwicklungswerkzeuge etc.) stieg der Umsatz dagegen von 2,44 auf 2,59 Milliarden US-Dollar, der operative Gewinn von 767 Millionen auf 1,03 Milliarden US-Dollar. Schließlich musste die Microsoft Business Division (Office-Produkte sowie Firmenlösungen wie Great Plains und Navision) einen Umsatzrückgang von 3,69 auf 3,51 Milliarden US-Dollar und einen Rückgang des operativen Gewinns von 2,45 auf 2,17 Milliarden US-Dollar verzeichnen.

Einen kräftigen Anstieg konnte Microsoft dafür beim so genannten unearned revenue verzeichnen: Er lag im zweiten Quartal des Vorjahrs noch bei 3,67 Milliarden US-Dollar und erreichte nun 6,03 Milliarden US-Dollar. Der deferred revenue, den Microsoft unearned revenue nennt und der im deutschen Rechnungswesen passiver Rechnungsabgrenzungsposten heißt, stellt für Microsoft ein wichtiges Indiz dar, wie das Geschäft mit Firmenkunden läuft und wie sich die Konkurrenz etwa aus dem Open-Source-Lager in diesem lukrativen Markt schlägt. Als deferred revenue bezeichnet man Umsätze vor allem mit Firmenkunden, die bei Service-Verträgen, die über mehrere Jahre gelten, oder beispielsweise bei länger laufenden Lizenz-Abschlüssen zwar schon gemacht wurden, aufgrund der langen Laufzeit der Verträge aber erst über die eigentliche Zeitspanne der Vereinbarungen hinweg realisiert und verbucht werden.

Für das kommende Quartal rechnet Microsoft nun mit einem neuen Rekordumsatz zwischen 13,7 und 14 Milliarden Euro, wobei die aus dem zweiten Quartal verschobenen Umsätze schon eingerechnet sind. Der Gewinn soll bei 45 bis 46 US-Cents pro Aktie liegen (unter Einrechnung von 12 Cents pro Aktie durch die Verschiebung aus dem zweiten Quartal). Im Gesamtjahr 2007 erwartet Microsoft einen Umsatz zwischen 50,2 und 50,7 Milliarden US-Dollar bei einem Gewinn von 1,45 bis 1,47 US-Dollar je Aktie – das ist eine leichte Anhebung der bisherigen Prognosen. Insgesamt zeigten sich die Börsianer direkt nach Vorlage der Bilanz nach Börsenschluss in den USA erst einmal zufrieden mit Microsofts Geschäftszahlen, war der Gewinnrückgang doch erwartet worden: Zu Beginn des nachbörslichen Handels kletterte der Kurs des Microsofts-Papiers um 2,73 Prozent.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)

Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.)
2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
4/06 11.804 Mio. 2.828 Mio.
1/07 10.811 Mio. 3.478 Mio.
2/07 12.542 Mio. 2.626 Mio.
* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell
(jk)